Olancho
Im besten Fall entführen Dokumentationen in unbekannte Milieus und Schicksale, oftmals in schreckliche, erschütternde Schicksale. Die Inhalte sind von daher selten ein negativer Aspekt einer Doku, meistens ist es das Formale und Stilistische. So auch bei Olancho.
Der mittelamerikanische Staat Honduras ist seit Jahren ein Land der Gewalt, beherrscht von sich rivalisierenden, gnadenlosen Narco-Clans. Die Drogenbarone lassen sich in Liedern feiern und glorifizieren, obwohl sie ihr eigenes Land zerstören. Die Band “Los Plebes de Olancho” sind solche Musiker, die für die Narcos Lieder schreiben und bei ihren Partys auftreten. Ein gefährliches Spiel, denn nicht selten geraten die Musiker selbst ins Visier der Drogenbanden. Die Regisseure Christopher Valdes und Theodore Griswold begleiten die “Los Plebes de Olancho” auf ihrer schmalen Gratwanderung.
Schon bei der Inhaltsbeschreibung wird wohl ersichtlich, dass die Thematik von Olancho nichts zu wünschen übrig lässt und für eine spannende Dokumentation sorgt. Am Anfang gelingt es den beiden Filmemachern, die Thematik gut umzusetzen, vor allem die Kamera weiß das Geschehen passend einzufangen. Im Verlauf wird aber deutlich, dass ein essenzieller Aspekt der Geschichte einfach fehlt, weil er nicht eingefangen werden kann. Nämlich die besagten musikalischen Auftritte bei den Drogenbanden, die natürlich selbst nicht gerade erpicht darauf sind, für einen Film aufgenommen zu werden, können in Olancho (mit einer Ausnahme) nicht gezeigt werden.
Das führt dazu, dass es Olancho misslingt, die immanente Gefahr, der sich die Musiker mit ihren Auftritten bei den Kartellen aussetzen, dem Zuschauer spürbar zu machen. Selbst diese eine filmische Ausnahme eines Auftritts schafft es nicht, das Gefühl für die Gefahr einzufangen und zu vermitteln. Die Dokumentation ist demnach, so eindringlich und potenziell spannend die Thematik auch ist, ein überraschend spannungsarmes, antiklimatisches und höhepunktsloses Machwerk, das die gute Musik der “Los Plebes de Olancho” und den interessanten Inhalt nicht in einen ebenso interessanten Film umwandeln kann. Olancho hinkt von daher leider seinem Inhalt hinterher, aber wer sich mit der Thematik und Musik begnügt, wird zumindest nicht enttäuscht, sondern bekommt einen guten (aber uninspirierten) Einblick in ein unbekanntes Milieu, eine fremde Welt und harte Schicksale.
Regie und Drehbuch: Christopher Valdes, Theodore Griswold, Filmlänge: 72 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale 2017