Der Informant!
Steven Soderbergh dürfte ein schwer beschäftigter Mann sein: Nach seiner zweigeteilten, insgesamt 270 Minuten langen Auseinandersetzung mit Revolutionsguru Ernesto Che Guevara im vergangenen Jahr wirft er neben The Girlfriend Experience, einem Experiment bestehend aus chronologisch unzusammenhängenden Elementen der Dramatik, Sittenbilddarstellung und politisch motivierter Zeitportraits, auch gleich Der Informant! hinterher – wobei man angesichts der Reputation des Regisseurs beide Werke als vollständig im Sinne von ernst zunehmen ansehen sollte.
Skepsis hinsichtlich kurzer Produktionsdauer und/oder reiner Gewinnorientierung mit dementsprechender Qualität des Films darf aber geschürt werden, denn schon zu Beginn zeigt sich – aufgrund verschiedenster Merkmale wie etwa der absurden, den Kontext des Filmes eigentlich vollkommen untergrabenen Retro-Schrift oder der gesamten musikalische Untermalung – das die Grundstimmung eine wohl eher heiter-komödiantischen Richtung einschlägt und damit der Aufdeckerstory, die ja durch den Titel angedeutet wird, bereits entgegenwirkt. Ebenso ambivalent in seiner Erscheinung gibt sich auch der Protagonist von Der Informant!, Mark Whitacre (Matt Damon), bei seinem ersten Auftreten: als übergewichtiger, bebrillter und mit voluminösen Toupet ausgestatteter Vizepräsident des Agrarkonzerns ADM ist er immer zu Scherzen aufgelegt, zugleich aber um ein korrektes Auftreten und effizientes Handeln bemüht.
Schon bald wird die selige Ruhe jedoch von einem Zwischenfall gestört: Mark erzählt seinem Vorgesetzten, dass er vor kurzem einen Anruf der Konkurrenz erhalten hat, in dem offenbart wird, das ein Maulwurf die jüngsten Produktionsverluste des Konzern verursachte habe. Aufgrund einer anschließenden Lösegeldforderung wird sogleich das FBI von der Firmenleitung eingeschaltet, das zunächst in Form zweier Bundesagenten (Scott Bakula und Joel McHale) auftritt und den verunsicherten Mark für ihre Zwecke einspannt. Dieser fühlt sich in seiner Rolle als „ziviler Geheimagent“ (0014, da er zweimal so gut wie James ‚007’ Bond ist!) jedoch schon bald so wohl, dass er ganz beiläufig in einem Gespräch mit seinen FBI-Kontaktpersonen über die illegalen Preisabsprachen seiner Firma plaudert – und somit die titelgebende Funktion des Films übertragen bekommt. Durch unzählige Beweismittel in Form von Tonbandaufnahmen wird der naive und bis zuletzt gutgläubige Mark zum Dreh- und Angelpunkt einer FBI-Aktion gewaltigen Ausmaßes, die jedoch einen kleinen Schönheitsfehler beinhaltet: Der wichtigste Zeuge (also Mark Whitacre selbst) hat nicht die „ganze“ Wahrheit gesagt und entpuppt sich als notorischer Lügner…
Würde man Matt Damon mit Russell Crowe auswechseln, der ersten Hälfe des Films einen düsteren Touch verpassen und die unzähligen Voice-Over Passagen streichen, so könnte man Der Informant! ohne weiteres mit einer sowohl dramaturgisch als auch stilistisch abgeschwächten Kopie von Michael Manns The Insider verwechseln – wäre da nicht der bitter nötige Twist, den Soderbergh geschickt vor den Zusehern zu verstecken weiß. Während Crowe’s Figur die finanziellen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten sowie den Druck, der auf ihn ausgeübt wird, mit Angst und Schrecken durchstehen muss, begibt sich Damon’s Charakter auf einen vergleichsweise erholsamen Pfad – der jedoch harmloser und in desaströser Absurdität endet.
Zu jeder Zeit des Films wird dem Zuseher die oftmals amüsante Gedankenwelt des Mark Whitacre dargeboten, und doch verrät sie ihm niemals, was genau nun im Kopf des Protagonisten vorgeht (während einem Geschäftsmeeting etwa erzählt uns die Hauptfigur mittels Voice-Over, dass das Verhalten japanischer Männer angesichts von Automaten, die gebrauchte Unterwäsche junger Mädchen auswerfen, doch ziemlich merkwürdig sei). Dies ist das Geheimrezept von Der Informant!: Ein Netz aus Erwartungshaltungen, das durch fehlgeleitete Annahmen und Feststellungen in immer größeren Dimensionen gesponnen wird. Schade dabei bleibt jedoch die Tatsache, das Soderbergh nach der Offenbarung seines Hauptcharakters wenig mit diesem anzufangen weiß und die in Gang gesetzte Abwärtsspirale nicht durch weitere dramaturgische Nuancen angereichert hat, um das Publikum weiterhin zu fesseln.
Zumindest kann ein gut genährter Matt Damon mit seiner Performance überzeugen: spielfreudig und überzeugend mimt er abermals (nach Der talentierte Mr. Ripley, Die Bourne Trilogie, The Departed) eine zutiefst zwiegespaltene Figur – mit dem Unterscheid, das er nun auch sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen darf. Problematisch ist die Art und Weise wie dieser bissige und dennoch gleichzeitig belanglose Humor eingesetzt wird – bei manchem Zuseher wird der Wortwitz sicherlich auf Unverständnis angesichts der filmischen Gesamtkonzeption treffen und ein Schmunzeln über den bewusst rustikal anmutenden Chic der Produktion oder die mehr oder minder beschwerliche Selbstfindung bzw. Psychosendarstellung eines notorischen Scharlatans ausbleiben.
Hinderlich erscheint weiters die Tatsache, das sich Soderbergh nicht in eine konkrete Richtung bewegen will, wodurch die Genreüberlappungen von Der Informant! herbe Abstriche in allen Belangen aufzeigen: der komödiantische Anteil ist größtenteils nur leidlich amüsant, der dramatische Faktor aufgrund dessen unterminiert und Spannung bzw. eine gewisse Erwartungshaltung gegen Ende des Film wird zwar ansatzweise etabliert, bleibt aber auf der Strecke – ebenso wie die Portion Mitleid für den Protagonisten, die er sich angesichts seines Geisteszustandes und dem dadurch (unbewusst?) angerichteten Schaden eigentlich verdient haben dürfte. Fraglich bleibt zudem, inwieweit das Drehbuch von der Vorlage abhängig war bzw. welche Freiheiten dem Drehbuchautor und/oder Regisseur zugestanden wurden.
Dunkel, skurril, parodistisch – wie diese Komödie zu betiteln ist bleibt der eigenen Auffassungsgabe überlassen. Eines kann jedoch ohne Zweifel festgestellt werden: Soderbergh versteht es, eine Geschichte mit unerwarteten Wendungen geschickt und zugleich mitreißend zu inszenieren – sei es nun die einer Einbrecherbande, einer unverhofften Umweltaktivistin oder eben eines verrückten Informanten. Matt Damon spielt auf hohem Niveau in einer bemüht humorvollen Mixtur aus A Beautiful Mind und The Insider, jedoch ohne die Tiefe des ersten oder die Bedrohlichkeit des zweiten zu erreichen. Der (ebenfalls) auf einer wahren Gegebenheit basierende Der Informant! erweist sich als eher harmlose Satire, die zwar handwerklich akzeptabel umgesetzt wurde und seinen Protagonisten charmant darzustellen weiß, allerdings in seiner dramaturgischen Konzeption nicht überzeugen kann.
Regie: Steven Soderbergh, Drehbuch: Scott Z. Burns, Kurt Eichenwald, Darsteller: Matt Damon, Scott Bakula, Patton Oswalt, Clancy Brown, Filmlänge: 108 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 05.03.2010