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Mistress America

7
Komödie

Wo lässt es sich schöner Scheitern, als in New York? Nirgends, findet Mistress America und lässt es seine Protagonistinnen prompt vormachen.

Am besten sind immer die gefallenen Helden, die tragischen Figuren, deren Untergang schon von Anfang an vorherbestimmt ist, deren Kampf man aber trotzdem bis zum Schluss mit Begeisterung verfolgt. Derlei tragische Heldenfiguren gibt es einige in Noah Baumbachs neuem Film, da es sich dabei um keine Tragödie griechischen Ausmaßes, sondern um eine Komödie in bester Woody-Allen-Manier handelt, darf und kann hier allerdings herzlich gelacht werden.

Das Studentenleben hatte sich Tracy (Lola Kirke), frisch in New Yorker angekommen, auch aufregender vorgestellt. Die ambitionierte Literatin langweilt sich an der Uni und fühlt sich nirgendwo so richtig zugehörig. Erst als sie ihrer zukünftigen Stiefschwester, der umtriebigen Brooke (Greta Gerwig), begegnet, erfährt ihr Leben die gewünschte Frischzellenkur. Die Lebefrau Anfang dreißig verdingt sich ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs, networked in den sozialen Medien was das Zeug hält, um die Marke ICH zu pushen und dem Traum vom eigenen Lokal näher zu kommen. Für Tracy ist Brooke ein Faszinosum, dem sie begeistert folgt und dessen grandioses Scheitern sie in einer Kurzgeschichte bereits vorschreibt. Am Ende erfahren aber beide Frauen, dass erreichte Ziele oft einen bitteren Beigeschmack haben und eine Enttäuschung manchmal nur den Weg für die nächste ebnet.

Mistress America, der seine Figuren irgendwo zwischen Leidenschaft und Getriebenheit, Lebensmut und Zukunftsangst wandeln lässt, steht selbst im Zwiespalt von moderner, ironisch-melancholischer Charakterstudie und Screwball-Comedy vom alten Hollywood-Schlag. Noah Baumbach und Greta Gerwig, die schon in der Indie-Komödie Frances Ha zusammengearbeitet haben, beweisen hier als Autorengespann einmal mehr Gespür für die Lebenswelten junger, urbaner Erwachsener und legen ihren Protagonist_innen die schönsten weil wahrhaftigsten Sätze in den Mund. Gerade die der „realen Welt“ oft etwas entrückt scheinende Brooke tritt in einer Szene, in der sie das Wesen der besonderen „Krankheit“ charakterisiert, von der sie sich befallen glaubt, erstaunlich klarsichtig auf und fängt mit wenigen Worten das Lebensgefühl vieler ein.

Leider funktionieren nicht alle Elemente so reibungslos und gerade was die Situationskomik angeht, kann der Film nicht überzeugen. Hier passt oft das Timing nicht, die Settings wirken zu gekünstelt, das komödiantische Auftreten skurriler Nebenfiguren zu bemüht. Das ist vor allem deswegen schade, weil die Ensemble-Leistung eine durchaus gelungene ist und der Großteil der Charaktere sympathisch und überzeugend wirkt. Herzstück und quasi weiblicher Don Quijote ist dabei vor allem die von Greta Gerwig verkörperte Brooke. Als Vertreterin der „ich mache alles irgendwie und doch nichts so richtig“-Generation, der scheinbar alle Möglichkeiten offen stehen und der trotzdem regelmäßig die gläserne Decke auf den Kopf fällt, ist sie tragikomische Symbolfigur für eine Vielzahl junger Menschen, die irgendwo zwischen lustvoller Selbstbestimmung/–darstellung und hoffnungslosem Blick auf eine Welt, in der ihre Träume und Talente ökonomisch unverwertbar sind, dahindümpeln.

Als die Rollen zwischen Herrschern und Untergebenen noch klar aufgeteilt waren, war das Leben viel einfacher, meint Brooke an einer Stelle. Vielleicht hat sie mit dieser naiven Aussage ein wenig Recht. Mistress America hat in jedem Fall einen genauen Blick für die Probleme der heutigen 20- und 30-Somethings und drückt genüsslich dorthin, wo’s weh tut. Dass der Film dabei auch noch Spaß macht, ist Mehrwert und bittersüße Essenz zugleich.

Regie: Noah Baumbach, Drehbuch: Noah Baumbach, Greta Gerwig, Darsteller: Lola Kirke, Greta Gerwig, Matthew Shear, Kathryn Erbe, Filmlänge: 84 Minuten, Kinostart: 11.12.2015