Schossgebete-©-2014-Constantin-Film-Verleih,-Tom-Trambow-(4)

Schoßgebete

8
Tragikomödie

Woody Allen gilt ja als Spezialist für das Schaffen von neurotischen Figuren. Diesmal erwärmt aber nicht ER die Herzen durch das Aufzeigen verschiedener Spleens, sondern Sönke Wortmann, der mit einem Charakter aus Charlotte Roches Feder das Publikum begeistert.

Die Romanverfilmung von Schoßgebete zeigt die tragikomische Geschichte einer verletzlichen jungen Frau, deren Leben durch eine Katastrophe auf den Kopf gestellt wird und die deshalb eine enge Bindung sowohl zu ihrer Therapeutin als auch zu ihrem Ehemann pflegt.

Nach einen Autounfall, bei dem sie auf einen Schlag ihre drei Geschwister verliert, hat sich das Leben von Elisabeth Kiehl (Lavinia Wilson) verändert. Sie findet sich von nun an in regelmäßigen Abständen bei der Psychotherapeuthin Drescher (Juliane Köhler) ein, da die junge Frau an diversen Neurosen leidet, die sie frei auslebt. So ist sie etwa ein totaler Kontrollfreak und ändert zur Freude ihres Notars (Rainer Galke) ständig ihr Testament, was ihrem Mann Georg (Jürgen Vogel) nicht wirklich zusagt. Er ist ihr Ruhepol, der sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen versucht, aber damit nicht immer Glück hat.

Der lebensverändernde Unfall wird zu Beginn des Films erwähnt und im weiteren Verlauf immer wieder bruchstückhaft aufgezeigt. Wie ein Puzzle werden die Teile allmählich vom Zuschauer zusammengesetzt, wobei die Kamera die Szenen stets ins rechte Licht rückt. Sie wirkt nicht aufdrängend, liefert aber bedrückende Bilder wenn es sein muss und überträgt die Panik auf den Zuschauer.

Jeder Mensch springt mit einem Trauma anders um – Elisabeth kompensiert ihres mit Hilfe von Sex. Ihr Seelenstrip bietet amüsante aber auch emotionale Momente, welche dem Zuschauer das eine oder andere Schmunzeln auf die Lippen zaubern, Gänsehaut bereiten, aber auch die Tränen in die Augen steigen lassen. Will man diese verrückten, aber doch menschlichen Neurosen normalerweise aus Scham verstecken, so werden sie bei Schoßgebete selbstbewusst dargestellt, was zu einem wirksamen Ergebnis führt.

Hauptdarstellerin Wilson verschmilzt förmlich mit der Rolle der Elisabeth und liefert eine facettenreiche Darstellung menschlicher Motive. Sie überrascht mit unglaublicher Natürlichkeit, Selbstironie und Sympathie. Jürgen Vogel (ist ein alter Hase im Business, stand er doch bereits im Alter von neun Jahren das erste Mal vor der Kamera) spielt zwar gewohnt gut, doch den ewigen Ruhepol will man ihm nicht ganz abkaufen. Als Georg wirkt er etwas unrealistisch, da er nie wirklich aus der Haut fährt und immer ruhig bleibt, egal welchen Blödsinn seine Frau anstellt – Irgendwann muss einem dann doch der Kragen platzen.

Oliver Berben feiert mit Schoßgebete sein Debüt als Drehbuchautor und hat damit ein gutes Händchen bewiesen. Authentisch, ergreifend und schlichtweg ehrlich wird die Rolle der Protagonistin angelegt, die dadurch niemanden unberührt lässt. Regisseur Wortmann (Der bewegte Mann) zeigt eine gebrochene Frau, die man selbst einmal in den Arm nehmen möchte – und lässt einen darüber grübeln, ob man nicht vielleicht auch ein Fall für den Therapeuten ist.

Regie: Sönke Wortmann, Drehbuch: Oliver Berben, Darsteller: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler, Anna Stieblich, Robert Gwisdek, Filmlänge: 93 Minuten; Kinostart: 18.09.2014
www.schossgebete-film.de




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