Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit
Wer kümmert sich um Verstorbene ohne Angehörige? Mr. May im nach ihm benannten Film Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit tut das – was im Vergleich zum simplen englischen Originaltitel Still Life etwas verschnörkelt und rührselig klingt. Wenn der Film zu Ende ist merkt der Zuschauer jedoch, dass beide Titel zu ihm passen, aber reicht es Uberto Pasolinis (Spiel der Träume) neuestes Werk einfach so als „simpel und rührselig“ abzuschreiben?
John May (Eddie Marsan) ist ein Beamter eines Londoner Gemeinderats und speziell angestellt um nach Angehörigen kürzlich Verstorbener zu suchen. Wenn dies nicht gelingt – und das passiert anscheinend oft – organisiert John liebevoll kleine Beerdigungszeremonien, die meist nur er besucht. Seinem Vorgesetzten (Andrew Buchan) scheint seine akribische Gewissenhaftigkeit jedoch nicht mehr ökonomisch tragbar, und Mr. May wird von seiner baldigen Entlassung in Kenntnis gesetzt. Sein letzter Fall soll sich ausgerechnet um einen Mann drehen, der gegenüber von Johns eigener Wohnung allein verstorben ist. May stürzt sich in die Recherche.
Schon des Sujets wegen ist der Film denkbar ruhig, und lebt von den stillen Bildern und dem geduldigen Beamten der zielstrebig weiterforscht. Dabei scheint er selbst den einsam Verstorbenen in seinem Wesen recht nah zu sein. Er ist auf seine Arbeit fixiert und spricht mit anderen Menschen auch nur zu diesem Zwecke. Selbst wenn der Zuschauer ihn alleine betrachten kann bricht Mr. May nicht aus seiner stillen Ruhe und seinem mechanischen Verhalten. Eddie Marsan wirkt dabei jedoch nicht kühl, sondern scheint von vornherein eher einen isolierten Sonderling zu mimen, der vielleicht aus sich herausgehen wollen würde, wenn er könnte. Er zieht dabei weder das Mitleid noch den Abscheu des Publikums auf sich, sondern einfach nur Kuriosität.
Die Handlung verläuft wenig dramatisch anhand der Spuren, denen John May folgt. Er trifft auf diesen und jenen Menschen während er mehr über den Verstorbenen lernt, bis er sich zu dessen Tochter vorgearbeitet hat. Dabei werden im Laufe der Spielzeit manche Klischees vernachlässigt und andere bedient – der Verstorbene wird zum Beispiel weder als Heiliger noch als Monster dargestellt, sondern jeder Zuschauer kann sich anhand der Erzählungen selbst ein Bild machen.
Ohne das Ende vorwegnehmen zu wollen, dort kommt es jedoch zu Problemen. Lange Zeit bleibt der Film emotional auf dem Boden und bietet keine forcierte Emotionalität wie „Feel-Good-Momente“ und drückt auch nicht auf die Tränendrüse. Er spielt sogar gegen Ende mit der Erwartungshaltung der Kinobesucher um dann einen müden aber wirksamen „Twist“ einzubauen – danach öffnen sich jedoch in den abschließenden Bildern die Schleusentore des Kitsches.
Als ein Essay über das Sterben, das Vergessen werden und das sich Erinnern funktioniert Mr. May und das flüstern der Ewigkeit somit nur schwerlich, außer man steht auf die cineastische Form von Opium. Als Charakterstudie über einen etwas verqueren Menschen der Sinn in seinem Leben sucht, taugt es mehr.
Regie und Drehbuch: Uberto Pasolini, Darsteller: Eddie Marsan, Joanne Froggatt, Andrew Buchan, Karen Drury, Filmlänge: 92 Minuten, Kinostart: 05.09.2014, www.mister-may.de