Carrie
Highschool is hell. Das ist wohl für kaum jemanden so zutreffend wie für Carrie, die nicht nur von ihren Mitschülerinnen und ihrer religiös fanatischen Mutter drangsaliert wird, sondern zudem mit dem Erwachen ihrer übernatürlichen Fähigkeiten zurechtkommen muss.
Carrie White (Chloë Grace Moretz) ist eine Außenseiterin, die in altmodischen, selbstgenähten Kleidern zur Schule geht und von ihrer überfürsorglichen, strenggläubigen Mutter (Julianne Moore) so weit wie möglich von der verderblichen Umwelt abgeschottet wird. Da körperliche Entwicklung und Sexualität in den Augen der Mutter Sünde sind, ist Carrie nie aufgeklärt worden und deshalb absolut überfordert, als sie eines Tages beim Duschen nach dem Sportunterricht ihre erste Menstruation bekommt. Im Glauben verbluten zu müssen, wendet sie sich panisch an ihre Mitschülerinnen, wird von diesen aber schikaniert und zum Gespött der Schule gemacht. Die Sportlehrerin Ms. Desjardin (Judy Greer) stellt sich hinter Carrie und sorgt für eine Bestrafung der Mitschülerinnen. Während eine von ihnen ihren Fehler wieder gutzumachen versucht und Carrie die Teilnahme am Abschlussball ermöglicht, wollen sich andere an der Außenseiterin rächen und leiten damit eine Katastrophe ein, denn Carrie sucht mittels ihrer Kräfte nun ihrerseits Vergeltung an ihren Peinigern in einem wahren Abschlussball-Inferno.
Kübelweise (Schweine-)Blut war zu erwarten, richtete man sich nach den Teasern der schon lange angekündigten Neuverfilmung von Stephen Kings gleichnamigem Roman. Carrie ist aber zum Glück keine Blutoper à la Evil Dead geworden, auch wenn die Schlüsselszene, in der die Protagonistin mit Schweineblut übergossen wird, gleich dreimal aus verschiedenen Perspektiven und in Slow Motion wiederholt wird. Kimberly Peirce, die mit Boys Don’t Cry Hilary Swank zu ihrem ersten Oscar verhalf, legt stattdessen den Fokus auf die Seelenzustände der Protagonisten und zeichnet dabei ein realitätsnah wirkendes Bild von sozialen Dynamiken an der Schule, die Ausgrenzung und verschiedenste Formen von Mobbing miteinschließen, und der Herausforderung, vor der junge Menschen stehen, zwischen Anpassung und Selbstbehauptung einen eigenen Platz in der Welt zu finden. Körperliche Veränderungen und der Umgang damit – mit dem monströsen, fremden Selbst -, fließen ebenso in die Geschichte mit ein, wie die Darstellung der Flucht in religiösen Fanatismus als Folge und Ausdruck von Angst und Unaufgeklärtheit.
Leider verhindern aber sowohl das an manchen Stellen schwächelnde Drehbuch, als auch die letztendlich zugunsten von Pyrotechnik und CGI vernachlässigte Charakterzeichnung, dass die dramaturgische Dichte bis zuletzt durchgehalten werden kann. Dabei schmälert nicht nur die zunehmende Effektlastigkeit die filmische Atmosphäre, sondern auch das an manchen Stellen arg übertriebene Spiel von Chloë Grace Moretz, welche in ihrer Rolle nur teilweise überzeugen kann.
Umso überzeugender und erschreckend eindringlich agiert dafür Julianne Moore als fanatisch fürsorgliche und gottesfürchtige Mutter. Sie ist hier die eigentliche tragische Figur, denn während die Tochter sich zunehmend gegen die strengen religiösen Gebote auflehnt und es schafft, sich in einem Akt der Selbstbemächtigung mithilfe ihrer Kräfte von der Unterdrückung loszulösen, bleibt die Mutter in ihren Ängsten und selbstzerstörerischen Wahnvorstellungen verhaftet. Die darstellerische Leistung von Moore kann über die dramaturgischen Schwächen des Films und den verhunzten, weil gleichzeitig übertrieben und wenig mitreißend inszenierten, Showdown aber nicht hinwegtäuschen. So schafft Peirce mit Carrie zwar eine zeitgemäße Neuauflage des Stoffs, die für heutige Teenager vermutlich interessanter ist, als Brian De Palmas Verfilmung aus den 70ern, kommt qualitativ aber nicht an diese heran. Und Sissy Spacek bleibt als Carrie ohnehin unerreicht.
Regie: Kimberly Peirce, Drehbuch: Lawrence D. Cohen, Roberto Aguirre-Sacasa
Darsteller: Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Gabriella Wilde, Portia Doubleday, Judy Greer
Laufzeit: 100 Minuten, Kinostart: 06.12.2013, www.carrie-film.de