Drecksau
Bestechlich, manipulativ und vom Hass zerfressen – Drecksau, die nächste Verfilmung eines Kultbuches von Irvine Welsh, erzählt die Geschichte eines Mannes, dem auf dem Weg zum Ziel jedes noch so radikale Mittel recht ist.
Die Geschichte von Drecksau (im Original als Filth betitelt) gestaltet sich recht einfach: Detective Sergent Bruce Robertson (James McAvoy) ist eine korrupter Mensch, der von Depressionen und Wahnvorstellungen geplagt wird. Er hasst alle Menschen, nimmt Unmengen an Drogen und schläft regelmäßig mit der Frau eines Kollegen – und mit jeder anderen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Die einzige Motivation, die ihn wirklich antreiben, ist der dringende Wunsch nach einer Beförderung und die damit für ihn zusammenhängende Rückkehr seiner Frau, die ihn mitsamt der Tochter verlassen hat.
Dafür, so scheint es, ist Robertson nun jedes Mittel recht. Er spielt seine Kollegen gegeneinander aus, deckt ihre dunklen Geheimnisse auf, inszeniert Konflikte und will jenen Menschen, dessen Freund er vorspielt zu sein, kontinuierlich ins Unglück stürzen. Auf dem Weg zu dem begehrten Posten stellen sich ihm dann aber einige Hindernisse in den Weg: Seine Kokainsucht, Depressionen und Schuldgefühle. So kommt es schließlich wie es kommen muss: Bruce verstrickt sich in dem selbst geschnürten Netz aus Intrigen, Drogen, Sex und völligem Wahnsinn. Am Ende muss er sich unweigerlich die Frage stellen, welcher Mensch er sein will und ob sein Absturz überhaupt noch aufzuhalten ist.
Drecksau basiert auf dem gleichnamigen Roman des schottischen Kultautors Irvine Welsh (Trainspotting, The Acid House). Unter der Regie des noch recht unerfahrenen Jon S. Braid (Cass), der auch für das Drehbuch verantwortlich ist, lässt Hauptdarsteller James McAvoy (X-Men: First Class, The Last King of Scotland, Trance, Wanted) die (Dreck-)Sau raus. Dabei begleiten ihn Schauspieler wie Jamie Bell (Billy Elliot), Eddie Marson (The World’s End), Oscar-Preisträger Jim Broadbent (Harry Potter and the Half-Blood Prince, Iris), Imogen Poots (28 Weeks Later) und einige mehr. Schottland, Hamburg, Ostende und die schwedische Stadt Trollhättan dienten als Kulisse für Drecksau.
Jon S. Braid entfernt für die Verfilmung des Buches von Irvine Welsh einige Elemente radikal: So wird etwa das Trauma des Protagonisten und damit die Psychoanalyse der Vorlage leider nur am Rande erwähnt, die berühmt-berüchtigte Erzählweise über den Bandwurm der Hauptfigur sucht man (natürlich?) ebenso wie das damit verankerte existenzielle Drama auch vergebens. Das Spiel zwischen Realität und Einbildung wird in der Verfilmung trotzdem zum Dauerzustand – Braid legt dabei jedoch den Fokus ganz auf Hauptdarsteller James McAvoy, der im Film, trotz zuvor geäußerter Kritiken, eine Glanzleistung hinlegt und die multiple Persönlichkeit grandios auf die Leinwand bringt und die restliche Besetzung in allen Belangen ins Abseits stellt.
Dies führt dann zwangsmäßig auch dazu, dass die anderen Schauspieler meist nur Hintergrundrauschen darstellen und dadurch glanzlos und teilweise langweilig erscheinen. McAvoy überzeugt aber als richtige Drecksau – dabei gelingt es ihm zudem überraschenderweise, diese sympathisch, gebrandmarkt und trotz der negativen Attitüde am Ende menschlich dazustellen.
Regisseur Braid gelingt mit seinem anfangs noch bizarren Drecksau allerdings nicht ganz das, was bei Danny Boyles fabelhafter Umsetzung von Welshs Trainspotting Faszination und Begeisterung auslöste: Schockierende, kontroverse oder innovative Momente gibt es kaum und auch der eigenwillige, angestrengt wirkende Humor des Films wird auf Dauer zu einer nervenaufreibenden Angelegenheit. Drecksau erweist sich so als mäßig überraschendes Vergnügen und verlangt von Zuseher reichlich Geduld.
Das es sich hierbei – ersten Pressestimmen zufolge – um einen mitreißenden Thriller und nach Trainspotting die beste Verfilmung eines Buches von Irvin Welsh handeln soll, ist äußerst fraglich – der schale Nachgeschmack einer eher müden Kopie von Boyles Meisterstück macht sich eher breit. Auch ein überaus engagierter und perfekt besetzter James McAvoy als schreiende, spuckende, koksende und psychisch mehr als labile Hauptfigur hilft leider nicht über die Mängel im Drehbuch und der gesamten Inszenierung hinweg. So bleibt Drecksau nur als anfangs energetische und vielversprechende Tragikomödie mit Welsh-Psycho-Bonus in Erinnerung, das mit fortlaufender Spieldauer ebenso die der Hauptcharakter jeglichen Fokus auf wirklich Relevantes verliert.
Regie und Drehbuch: Jon S. Braid
Darsteller: James McAvoy, Joanne Froggat, Jamie Bell, Jim Broadbent, Imogen Poots, Eddie Marsan
Laufzeit: 96 Minuten, Kinostart: 29. November 2013
www.filthmovie.co.uk