E3 Analyse: Die Diktatur von EA, Sonys Befreiungsschlag und Nintendos Dilemma
Einmal im Jahr gibt es im Gaming Bereich eine wahre Explosion an Information: Mit Einläuten der E3 fahren die unterschiedlichen Studios schwere Geschütze auf. Anhand ihrer Daten lässt sich festmachen, was sie kommunizieren wollen, doch das Spannende ist wie immer was zwischen den Zeilen zu lesen ist.
Alle Zügel scheinen dieses Jahr in einer Hand zusammenzulaufen: Electronic Arts (EA) will die nächste Konsolengeneration entscheidend formen (zum Bericht). Viel Wirbel gab es im Vorfeld um die wahnwitzigen DRM-Bestimmungen (Kopierschutz), mit denen Microsoft gegen Ende des Jahres auf den Markt tritt. Klar, dass für den Konsumenten da jede Menge Nachteile entstehen – ein Entwickler setzt solche Features aber nicht zum Spaß um, ohne Frage stehen Publisher dahinter, die schon seit Jahren klagen dass der Gebraucht-Handel ihre Umsätze schmälert.
Im Laufe der E3 wurde nun klar, dass Microsoft völlig alleine mit seinen Zwangs-Features auf der Bühne steht – doch sehr auffallend ist dabei eines: EA steht fest an ihrer Seite. Während auf der Sony-Konferenz praktisch nichts von EA zu sehen ist, könnte man auf der Microsoft-Konferenz (zum Bericht) meinen, EA sei ein First Party Entwickler für die neue Konsole, obwohl die Titel nicht einmal exklusiv sind. Der Schluss liegt nahe, dass EA einer der großen Publisher ist, die strengere Regulierungen im Gebrauchtmarkt eingefordert haben und Microsoft der einzige Entwickler ist, der willig gefolgt ist. Offiziell bestreitet man das bereits, aber wie der Umgang mit Nintendos Wii U zeigt, heisst das nicht viel.
Bereits einmal hat EA gezeigt, wie vehement man für seine Forderungen eintritt: Nintendos Wii U hat man, nach einer Absage für den digitalen Handel über EAs Online-Service Origin, mit diversen faulen Ausreden im Laufe des letzten Jahres komplett abserviert. Offiziel lässt man verkünden dass sich für Nintendos Konsole jede Menge Titel in Entwicklung befinden, Release-Listen sprechen da aber eine deutliche Sprache. Ein absurdes Detail: Fifa 14 ist für praktisch alles angekündigt, außer für Nintendos Wii U. Ja, sogar PS2 und Wii (!) werden mit dem Sporttitel bestückt.
Sony scheint einen wahren Befreiungsschlag vollzogen zu haben (zum Bericht), da gibt es keine verrückten DRM-Bestimmungen, kein Always-Online (wobei diese Nicht-News dank Microsofts tollpatschiger Marketing-Strategie praktisch kostenlos hohe Wellen schlagen) und das interessanteste Detail im Meer des Hypes geht fast unter: Die PS4 hat keine Regions-Limitierungen mehr. Als Konsument vergisst man oft, wieso es diese künstlichen Limitierungen überhaupt gibt. Für den Publisher ist die Lokalisierung von Spielen eine teure Angelegenheit und vor allem braucht sie oftmals Zeit. Gibt es also eine Verzögerung für einen Release in Europa, geht dem europäischen Lizenznehmer mit jedem einzelnen Import aus den USA Gewinn verloren.
Aus diesem Grund wird immer wieder Druck auf Konsolenhersteller ausgeübt, künstliche Limitierungen zu implementieren, die eine genaue Kontrolle darüber ermöglichen wo Software gekauft wird. Dass Sony nun von dieser Richtung abweicht zeigt sehr deutlich, dass man selbstbewusst genug ist, seinen eigenen Weg zu gehen. Große Studios sind längst in der Lage, die Lokalisierung in den regulären Entwicklungsprozess einzuarbeiten – man glaubt wohl daran, dass in einer globalisierten Welt die Umsätze wenigstens stabil bleiben. Als Hersteller will Sony den Ton angeben, statt hörig einem Publisher zu folgen – ob man sich das leisten kann, wird sich zeigen, für den Konsumenten ist das eine großartige Entwicklung.
Etwas bedenklich ist der generelle Trend mit Präsentationen komplett zu verzerren, wie der Gaming-Markt tatsächlich aussieht. Geht es nach den Konferenzen der Publisher, besteht die Zukunft nur noch aus grauen (Sci-Fi-)Standard-Shootern, Zombie-Szenarien und Sporttiteln. Keine Frage sind das alles Blockbuster, aber neben dem Wirbel um aktuelle Konsolenerscheinungen darf nicht vergessen werden, dass das bei Weitem nicht alles ist. Nintendos erfolgreicher 3DS zum Beispiel sorgt problemlos für Millionenumsätze, trotzdem schafft es kein einziger Titel für den Handheld auf die Präsentationsbühne. Sony hat als einziger Big Player (neben Nintendo) ein Fenster für kreative Indie-Titel eingeplant.
Ein paar Minuten erstrahlt die Bühne in buntem, kreativem Glanz, der alles Positive der Spieleszene zum Ausdruck bringt, aber darüber hinaus gelingt es kaum jemanden wirklich eine Identität zu schaffen. Killzone, Destiny, Titanfall, BF4 und wie sie alle heißen verschwimmen irgendwie zu einem inflationären Einheitsbrei, der sich später alle Konsumenten teilen muss. Besonders arm: Plants vs. Zombies, ein Popcap Titel, der zurecht ein absoluter Klassiker im Casual-Bereich geworden ist, muss herhalten, um ein austauschbarer Team Fortress 2-Verschnitt zu werden. So ausgehungert ist des graue Brei der aktuellen IPs, dass man sich verzweifelt an PvZ klammert um irgendetwas abzuliefern, das anders wirkt. Es fragt sich, wo in Zukunft „neue Videospiele“ vertreten werden. Auf der E3 wohl eher nicht.
Gar kein Wunder also, dass Nintendo dieses Jahr erstmals auf einen Auftritt gänzlich verzichtet. Stattdessen produziert man lieber gleich einen Stream: Damit erreicht man das gesamte Publikum selbst und ist eigentlich nicht mehr darauf angewiesen, Informationen über die anwesende Fachpresse zu verteilen. Das Problem: Viel hat man nicht zu sagen, alle erwarteten Spiele sind dabei, mit Überraschungen hält man sich aber bedeckt. Das große Problem, das Nintendo derzeit hat, nämlich die eigene Präsenz auf dem Hardware-Markt zu rechtfertigen, ist völlig ungelöst. Keiner der neuen Titel verwendet den speziellen Screen-Controller der Wii U in irgendeiner sinnvollen Art und Weise, lediglich die Online-Community entwickelt sich dem Erfolg entsprechend etwas weiter, aber hier ist man den richtungsweisenden Konzepten von Sony und Microsoft auf Dauer ernsthaft unterlegen. Der große Trumpf bleibt die Tatsache, dass es keine versteckten monatlichen Kosten für die Wii U gibt, ein Fakt der vielleicht noch ins Gewicht fallen wird. Man merkt aber eindeutig, dass sich Nintendo mit dem Erstellen von HD-Content übernommen hat – fragt sich, ob genug Zeit bleibt um das zu korrigieren.
Der lachende Gewinner ist 2013 ohne Zweifel Sony. Man hat eine klare Strategie gezeigt, die breit gefächert ist wie von keinem anderen Anbieter. Microsoft hat graue Dudebro-Blockbuster, Nintendo hat bunte Kreativtitel mit Spaßfaktor, aber Sony vereint beide Richtungen gekonnt unter einem Dach und hat es geschafft am Ende der Präsentationen völlig ohne blaues Auge dazustehen. PS Vita? Kennen wir nicht!
[alert type=“games“]Aufgefallen:
- Jedes Jahr gibt es peinliche Ausrutscher, aus denen Memes entstehen, welche die hilflose Präsentatoren für viele Jahre zum Gespött der Internetkultur machen. Das Highlight in diesem Jahr stammt wohl ohne Frage von der Microsoft-Bühne: Bei der Demonstration des neuen Beat’em’Ups Killer Instinct wollte man im Sinne der Gender-Anliegen wohl modern erscheinen und besetzte den zweiten Spieler kurzerhand als Frau. Was folgt sind zwei surreale Minuten öffentlicher Demütigung, die mit erniedrigenden Kommentaren unfassbar erschienen. „Lass es einfach passieren, es ist gleich vorbei“. Klarer Fall: So holt man sich die Frauenbewegung ins Boot…
- SquareEnix stolpert von einer Krise in die nächste, doch es ist wohl Licht am Ende des Tunnels: Aus Final Fantasy Versus XIII wird Final Fantasy XV für die nächste Konsolengeneration, ein Action-Titel der tatsächlich aufhorchen lässt. Nicht nur visuell beeindruckend, macht vor allem das sprunghafte Teleportieren während der Kampfsequenzen neugierig auf das Gameplay. Der japanische Entwickler wird doch nicht gar zu Bestform auflaufen?
- Wenn es um eine Konsole übler steht als um die Wii U, so ist das zweifellos Sonys Vita. Mehr als eine Randerwähnung ist nicht drin, man erklärt uns, das die Online-Verkäufe von Software prächtig laufen, alles die Schuld vom klassischen Händler also! Mit gerade mal einer Hand voll Ankündigungen wird es 2013 schwierig werden Fuß zu fassen.
- Mit Indie ist es für Microsoft vorbei. Da schmuggelt man noch einen kleinen Trailer in die Präsentation, aber im Grunde liegt die Situation offen: Nachdem es keine Möglichkeit mehr gibt Spiele auf Xbox Live selbst zu veröffentlichen ist es mit Spiele-Innovationen ein für allemal vorbei. Nintendo und Sony glänzen hingegen beide mit einer großen Reihe an interessanten Ankündigungen, ihre Bestrebungen die unabhängige Entwicklung für ihre Plattformen zugänglicher zu machen haben sich gelohnt!