The Art of Shadowrun Returns
Ja, wir geben es zu: Wir sind Fans von Action-RPGs, vor allem natürlich von besonders liebevoll gestalteten. Kommt noch ein Faible für Cyberpunk-Themen und Crowdfunding (via Kickstarter) dazu, hält sich die Begeisterung kaum in Grenzen.
Grund genug also, um sich das in vielerlei Hinsicht informative Posting von Mike McCain, Leiters des künstlerisches Teams von Shadowrun Returns, genauer anzusehen, das vor einigen Tagen die „Backer“ (also Unterstützer) des Projekts erreichte. Nicht nur das er Schritt für Schritt die Vorgehensweise der optischen Gestaltung des via Kickstarter realisierten Action-Rollenspiels erläutert – seine Ausführungen geben auch eindrucksvoll Aufschluss darüber, welche Probleme und Herausforderungen beim künstlerischen Design eines Videospiels auftreten. Hier nun der (frei) aus dem Englischen übersetzte Eintrag aus dem Entwickler-Tagebuch (mit einigen zusätzlichen Links zu Begriffserklärungen, nachträglich von der pressplay Redaktion eingefügt):
-
Isometric Art
Shadowrun Returns vermischt 3D Charaktere, Beleuchtung und Effekte mit einer isometrischen 2D-Umgebung – Eine Entscheidung, die schon früh im Zuge unserer Kickstarter-Kampagne getroffen wurde. Dieser Hybrid-Zugang liefert uns das beste aus beiden Welten, sowohl vom visuellen als auch künstlerischen Produktions-Standpunkt aus gesehen. Mit „Old School“ 2D-Umgebungen sind wir in der Lage, viel umfassendere und komplexer Umgebungen zu erstellen als dies zeitlich bei einem 3D-Spiel möglich gewesen wäre. Zusätzlich ermöglicht uns die direkte Zeichnung der Gebäude-Blöcke einen viel herausragenderen und detaillierteren Rendering-Stil.
2D-Isometrische Spiele nutzen im Allgemeinen entweder pre-rendered (vorgerendert – Spiele mit der Infinity Engine) oder tile-based Umgebungen (gekachelt bzw. auf einem Gitternetz aufgeteilt – etwa Fallout, Arcanum, Diablo). Vorgerenderte Umgebungen sind letztlich von einem Designer handgefertigt und „baked out“ (= hergestellt, vermutet die Redaktion) als ein einzelnes, fertiges Element – während eine gekachelte Umgebung eine Kollektion vieler zusammengefügter Einzelteile bleibt. Es ist vergleichbar mit einem Plastik-Spielzeug und einer Schachtel voller Legosteine. Shadowrun Returns nutzt eine tile-based Umgebung. Während der pre-rendered Zugang mehr künstlerischen Freiraum ermöglichen würde, offeriert die modulare, produktionsfreundlichere tile-based Variante viel mehr Flexibilität für den Designer, um komplexe taktische Gefechtsfelder zu erschaffen und zu reproduzieren. Auch wichtig: Es ermöglicht euch, eure eigenen Umgebungen mit unseren digitalen Lego-Bausteinen im Editor zu bauen!
-
Welcome to the Grid
Es finden sich mehrere häufig verwendete Arten isometrischer Darstellungsweisen in Videospielen, jede davon mit Vor- und Nachteilen abhängig von den Bedürfnissen des jeweiligen Projektes. Bei Shadowrun Returns verwenden wir eine symmetrische 2:1 near-isometric Ansicht.
Das bedeutet, das die Kamera so abgewinkelt ist, das jede Raute am grid (Spielgitter) exakt doppelt so breit wie hoch ist. Das ist die am meisten verbreitete Version isometrischer Projektionen in Videospielen, ich denke aufgrund zweier Gründe: Erstens wirkt es am natürlichsten (teilweise weil die leichte Stauchung eine perspektivische Verzeichung der Welt vorgaukelt) und zweitens ist es produktionstechnisch die schnellste und effizienteste Wahl. Da das Gitter symmetrisch ist, können Elemente einfach horizontal gedreht und für andere Ausrichtungen verwendet werden. Zusätzlich eröffnen sich aufgrund der Tatsache, das die Proportionen der Gittereinheiten genau 2:1 sind, einige nette abgekürzte Verfahren beim Zeichnen – zum Beispiel: Nimm irgendein Bild, rotiere es um 45 Grad, dann verkleinere die Höhe um 50 Prozent – jetzt ist dein Bild flach auf der isometrischen Ebene.
-
Anatomy of a Prop
Enviroment tiles (Umgebungskacheln, im weitesten Sinn, Anm. d. Red.) fallen generell in zwei Kategorien: structural tiles (Strukturelle Elemente wie Wände, Böden, Gebäude, Türen) und props (Requisiten – der ganze Rest, mehr oder weniger). Abhängig von der Komplexität des Elements starten wir mit einigen groben Skizzen oder einen einfachen 3D Model. Hier sind ein paar Requisiten, die unsere Praktikanten für unsere Ödland- und Wohnungssets gezeichnet haben. Im Zuge der Produktion haben wir einen Zeichnungsleitfaden entwickelt, der dabei hilft, die Arbeit jedes Einzelnen effizient und einheitlich zu gestalten (Der Zeichenprozess wird sicher noch in einem anderen Eintrag im Entwicklertagebuch besprochen!).
Sobald die Elemente fertig gestellt und freigegeben wurden, müssen sie für das Spiel und den Editor eingerichtet werden. Dieser Prozess beinhaltet das Definieren der verschiedenen isometrischen Ausrichtungen, Einrichten am isometrischen Gitter, Einstellen der Gameplay-Eigenschaften (kann ich durch es hindurch sehen, gehen, schießen?) und die Festlegung, wie es ausgeleuchtet wird.
Danach sind die Elemente einbaufertig! Unser Editor ermöglich leichtes Suchen (man kann nach mehreren Schlagwörtern filtern) und Integrieren der Elemente in die Spielwelt. Arrangiere einige props und tiles in der Welt und – voila – du hast einen Level zusammengestellt! (Okay, es ist schon etwas aufwändiger, aber ihr versteht worauf es hinaus läuft) Der Prozess der Levelgestaltung wird ein weiterer Gegenstand in einem zukünftigen Eintrag im Tagebuch des Designer-Teams sein.
-
Tighten up the Graphics on Level 3!
Der große Nachteil der tiles ist die Tatsache, das, wenn man sie zuerst mal platziert, sie nur wie ein Haufen tiles aussehen. Hier sind ein paar Elemente, die wir auf das Grundlayout gesetzt haben, um es etwas schicker aussehen zu lassen.
Mehr props! – Diese Umgebung ist vielleicht strukturell komplett, aber unsere Lego-Schachtel beinhaltet viele wirklich coole dekorative Elemente, die dem Ganzen noch mehr Pep verleihen können. Du willst Graffiti? Hier ist etwas über „The SINless are free“ – dürfte angebracht sein. Oder wie wäre es mit einem Baugerüst für das Gebäude? Das Hinzufügen dieser zusätzlichen visuellen Ebene ändert zwar nicht grundlegendes am Szenen-Layout – aber jetzt fühlt sich diese Kreuzung bewohnt und belebter an.
Beleuchtung – Dank wirklich cooler technischer Möglichkeiten sind wir fähig, directional und point lights (Punkt- und ausgerichtete Lichtquellen, Anm. d. Red.) in unsere Umgebungen zu platzieren. Wie Beleuchtung in einem 2D-Spiel funktioniert? Die kurze Version: Unser erschaffenes Element wird auf simple 3D-Geometrie projiziert, so das jedes prop oder tile Licht aus der entsprechenden Richtung erhalten kann. Licht in unserem Editor zu setzen ist etwas knifflig, aber mit ein wenig Trial and Error kann man wirklich nette Ergebnisse erschaffen (Das ist ein Beispiel was wir meinten, als wir den Editor als „mächtig aber hässlich“ bezeichneten). Wie unten zu sehen ist kann mit dem Integrieren von einigen Lichtquellen sofort Stimmung und Fokus der Szene vermittelt werden.
Umgebungseffekte – Ja, Seattlites (Einwohner von Seattle, Anm. d. Red.) wie wir wissen, das es tatsächlich nicht SO oft regnet (außer von Oktober bis Mai, „when it rains all the f*cking time„). Aber Regen ist so ein sinnträchtiger (und Noir-mäßiges) Effekt, das wir das „Es-regnet-immer-in-Seattle“ Vorurteil in Shadowrun Returns etwas unterstreichen wollen. Der Fullscreen-Regeneffekt (besser sichtbar wenn das Bild zum vergrößern angeklickt wird, Anm. d. Red.) verleiht der Szene sofort Tiefe und Lebhaftigkeit – andere ortsgebundene Effekte tragen natürlich auch dazu bei, wie etwa Dampf aus Lüftungsrohren.
-
Putting Minis on the Board
Alles schön und gut, aber ohne Charaktere erfüllen die Sets keinen Zweck. Die Figuren sind das Zentrum sowohl von Geschichte als auch Gameplay – unsere Umgebungen und Effekte existieren in erster Linie, um die Reihe an Charakteren zu unterstützen und sie gleichzeitig in den Mittelpunkt zu rücken. Eine der Herausforderungen, denen wir uns gegenüber sahen, war die Tatsache, dass unsere Figuren in der Welt des Spiels eigentlich verdammt klein sind. Die Kamera bleibt in Shadowrun Returns relativ stark auf Distanz, damit der Spieler die Möglichkeit hat ein besseres taktisches Gefühl seiner Umgebung zu erhalten. (Es gibt nichts schlimmeres als den Versuch mit einer Drone seinen Gegner zu flankieren, wenn man gleichzeitig von einer bestimmten Kameraperspektive stark beschränkt ist.)
Deshalb haben wir viel Aufwand auf den sogenannten iso read, also die Optimierung der besseren Erkennbarkeit unserer Charaktere in der Iso-Perspektive, investiert – einfache, große Formen, Farben, Eigenschaften, und optimierte Kontraste der Schatten eines Charakters, erlauben es dem Spieler, ihn mit einem Blick zu identifizieren. Ein Aspekt der für das Gameplay essentiell ist – immerhin muss ich nicht nur imstande sein, einen Mitarbeiter von Lone Star (Lone Star Security Service ist ein Sicherheitskonzern im Shadowrun-Universum, Anm. d. Red.) von einem Labortechniker unterscheiden zu können, sondern ich muss auch während dem Kampf einen Lone Star Fußsoldaten auf einen Blick von einem Captain oder einem angeheuerten Spellslinger (Magier, Anm. d. Red.) auseinander halten können.
Bevor wir uns auf die Details konzentrieren konnten, war es also absolut notwendig, dass wir den iso read so gut wie möglich hinbekommen, denn andernfalls wären bei einer Größe von nur 50 Pixel unsere Figuren nur schwer voneinander zu unterscheiden gewesen. Sobald die Erkennbarkeit optimiert war, konnten unsere Figuren-Designer zusätzliche Erkennungsmerkmale und kleinere Details in die Charaktergestaltung einbauen, deren geringer Kontrast ohne Problem erhöht werden kann – und ohne das Ganze in ein Chaos aus Pixel ausarten zu lassen.
Zusätzlich ist es wichtig sicherzustellen, dass die Figuren in dieser detaillierten Welt nicht verloren gehen. Die Charaktere müssen während dem spielen im Vordergrund stehen und man darf niemals einen Gegner übersehen, den sogar eure Figur wahrnimmt (und sich in ihrem Sichtfeld befindet). Hier einige Dinge, die wir unternehmen, damit so etwas nicht geschehen kann und die Figuren hervorstechen:
Gradated value scheme – Die Figuren sind so gestaltet, dass sie unten dünkler sind als oben. Dies hilft nicht nur die Sichtbarkeit zu verstärken, sondern macht die obere Hälfte des Charakters zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Spielers.
Contrast & saturation – Wir bemühen uns, die Charaktere mit dem stärksten Kontrast und der größten Sättigung zu versehen. Erst vor ein paar Wochen hat Kohnert (Chris „Bones“ Kohnert, CTO bzw. Chief Technical Officer, also technischer Leiter, Anm. d. Red.) einen speziellen „Schattierer“ für die Figuren erstellt, damit sie noch eine Spur mehr Licht aus der Welt des Spiels an sich erhalten.
Highlight states – Wie viele andere Spiele heben natürlich auch wir die Charaktere mit zusätzlicher Beleuchtung hervor um anzugeben, welche Figur gerade aktiv ist oder bei wem es sich um angreifbare Gegner handelt. Dadurch stellen wir sicher, dass die Charaktere selbst dann sichtbar bleiben, wenn sie teilweise von der Umgebung oder Gegenständen verdeckt sind.
Wie bereits im Alpha Video zu sehen war: wenn all diese Elemente zusammenkommen – Charaktere die hervorstechen, überzeugendes Umgebungs-Design, Beleuchtung und Effekte, Animation – dann hat man ein ziemlich scharf aussehendes RPG.
Hier übrigens der Link zum Original-Posting (wir haben unser Bestes bei der Übersetzung gegeben..) und zu Homepage von Shadowrun Returns – http://harebrained-schemes.com/shadowrun/