Midnight In Paris
Mit Woody Allen verhält es sich ein bisschen so wie mit Weihnachten: Kaum ist es einmal im Kalender erfolgreich abgehakt, klopft das nächste schon wieder an die Tür. Und während die wahren Fans sich Jahr für Jahr im Kinosaal zusammenfinden, um den unermüdlichen Meister der wortsprudelnden Tragikomödien und leichtbeschwingten Großstadtmärchen gebührend zu feiern, ziehen es entnervte Andere vor, gelegentlich auch einmal auszusetzen und einen seiner Filme unbeachtet vorübergehen zu lassen – wohlwissend, dass sich der nächste Woody Allen Streifen ohnehin schon längst in Produktion befindet…
Hin und wieder aussetzen kann man schon allein deshalb ohne Bedenken, da Woody Allens Geschichten immer wieder um den selben Themenkosmos zu kreisen scheinen. In leichten Variationen erzählen sie vom ewigen Beziehungschaos zwischen den Geschlechtern und von Autoren in der Schaffenskrise. Meist weisen seine Filme eine große Ähnlichkeit auf, verhalten sich leichtfüßig und komödiantisch, nur selten nehmen sie tragischere Ausmaße an – man denke an den grandiosen Match Point.
Es überrascht also nicht sonderlich, dass wir auch in Woody Allens 42.Regiearbeit Midnight in Paris auf thematisch und stilistisch altbekanntes Terrain treffen. Man nehme die Magie einer Großstadt (nach New York und London nun endlich, es war nur eine Frage der Zeit, die Stadt der Liebe: Paris), verteile eine Vielzahl schöner, interessanter Frauen und platziere in deren Mitte einen emotional verwirrten, unbefriedigten Hollywood-Autor namens Gil, der viel lieber ein ernsthafter Schriftsteller wäre. Und wie es das Märchen so will, verwandelt sich um Punkt Mitternacht eine alte Limousine zum Portal, das den beflügelten Gil geradewegs in die Roaring Twenties, ins Paris der Zwanzigerjahre entführt. Schon bald findet er sich mit den Fitzgeralds auf einer Party bei Jean Cocteau wieder, diskutiert mit Hemingway über den Wert der wahren Liebe, schlägt Buñuel Filmideen vor und geht mit der bezaubernden Geliebten Picassos an der Seine spazieren…
Midnight in Paris ist ein feines Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt negativ zu bewerten ist, wenn ein Kinofilm nur leichte Unterhaltung bietet. Zwar muss man zugeben: Eine große emotionale Beteiligung wird einem hier wohl kaum abverlangt, Woody Allens Filme hatten gelegentlich schon raffiniertere Figurenkonstellationen zu bieten und auch die Charaktere an sich, vor allem die weiblichen, sind eher oberflächlich gehalten. Doch bestechen die amüsant-bezaubernde Idee des „Epochenhoppings“; die verspielte Verstrickung von Vergangenheit und Gegenwart; die mit informativem Unterhaltungswert zum Leben erweckte Künstlerszene aus dem Paris der Zwanzigerjahre; Adrien Brodys umwerfender Auftritt als vom Rhinozeros besessener Salvador Dalí; und nicht zuletzt das Schauspiel von Owen Wilson, in dem Woody Allen wohl schlichtweg die Idealbesetzung für sein filmisches Alter Ego Gil gefunden hat.
Am Ende spaziert der Protagonist, nun endlich mit sich selbst im Reinen, mit einer Dame – um welche es sich handelt soll hier natürlich nicht verraten werden – in den Regen davon und entlässt uns nach diesem schwungvollen Ende leichten Herzens in die Realität jenseits der Kinoleinwand. Ob man sich natürlich von Woody Allens ganz speziellem Charme, den auch dieser Film reichlich zu versprühen weiß, (noch) verzaubern lassen kann und will, das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Regie und Drehbuch: Woody Allen, Darsteller: Owen Wilson, Rachel McAdams, Marion Cotillard, Kathy Bates, Michael Sheen, Adrien Brody, Carla Bruni, Laufzeit: 94 Minuten, Filmstart: 19.08.2011