Sonntag
Der belgische Zeichner Olivier Schrauwen legt mit Sonntag sein Opus Magnum als Graphic Novel vor. Eine vielschichtige – und vor allem umfangreiche Angelegenheit.
Anatomie eines Tages
Für Sonntag hat Schrauwen seinen Cousin als Protagonist gewählt. Das Thema – das langsame, aber unaufhörliche Verrinnen der (Lebens-)Zeit, macht der Autor an einem zufällig gewählten Tag aus dem Jahr 2017 fest. Thibauld sitzt zu Hause, wartet auf die Rückkehr seiner Freundin aus dem Urlaub. Er hat an diesem Tag nicht viel zu tun, sitzt rum, denkt nach, masturbiert, trinkt und kifft. Diesen ganzen spektakulär unspektakulären Tag hält Olivier Schrauwen minutiös fest. Beinahe 500 Seiten hat das graphische Werk. Und ist dabei ziemlich oft am Rande der Genialität.
Every Day Normal Guy (, Motherfucker!)
Olivier Schrauwens fast schon mathematisch präziser Strich steht im krassen Kontrast zu der mäandernden Erzählung dieses ganz gewöhnlichen Tages. Manchmal wird ein bisschen viel Aufmerksamkeit auf die eher unsympathischen Eigenheiten des Protagnisten gelegt. Und doch ist Sonntag durch und durch greifbar und nachvollziehbar.
Im allerletzten Akt steht dann sogar noch eine etwas unerwartete Überraschung ins Haus. Denn nachdem Thibaulds Sonntag eigentlich gelaufen ist – er hat sich inzwischen ins Koma geraucht – erleben die Leser noch einen kleinen Abspann. Ein wenig, wie eine Post-Credit-Szene, bei der es sich definitiv gelohnt hat, noch dranzubleiben. Und die diesem vorgeblich so gewöhnlichen Tag doch noch mal einen besonderen Touch verleiht.
Die renommierte New York Times hat Sonntag zu einer der acht besten Graphic Novels 2024 gewählt. Außergewöhnlicher und komplexer dürfte es heuer auf dem Sektor auch nicht mehr werden.
Sonntag von Olivier Schrauwen, 472 Seiten, erschienen bei Edition Moderne.