Die letzte Fahrt der Demeter
Die letzte Fahrt der Demeter basiert auf einem kurzen, aber sehr bedeutsamen Kapitel aus Bram Stokers berühmtesten Roman Dracula. Im Logbuch der Demeter wird auf knapp 10 Seiten erzählt, wie die Demeter, ein großes Segelschiff, mit einer Fracht von mehreren Kisten, vollgefüllt mit Erde, auf Fahrt von Rumänien nach England schippert. Allerdings befindet sich – ohne Kenntnis der Mannschaft – noch eine ganz besondere Fracht mit an Bord. In einer der Kisten residiert Graf Dracula höchstpersönlich. Was der gesamten Crew bald zum Verhängnis wird.
Diesem Kapitel schenkten etliche (wenn nicht sämtliche) Dracula-Verfilmungen verstärkt ihr Augenmerk. Begonnen mit Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu, bis hin zu Francis Ford Coppolas sehr getreuer Verfilmung von 1992. Der Autor Bragi Schut Jr. fand diesen Aspekt der Story gar so spannend, dass er beschloss aus dem Kapitel einen ganzen Film zu machen. Das Projekt befand sich beinahe 20 Jahre in einer Planungsphase (vulgo „development hell“). Alle möglichen Namen waren bereits mit dem Projekt assoziiert. Zu einem Zeitpunkt sollten z.B. Noomi Rapace und Ben Kingsley zum Cast gehören und Stefan Ruzowitzky Regie führen. Doch es kam alles anders.
Den nun fertigen Film inszenierte der Norweger André Øvredal, der auch schon den recht gruseligen The Autopsy of Jane Doe inszenierte. Zum erlesenen Cast gehören großartige Charakter-Darsteller aus der zweiten Reihe, wie Liam Cunningham und David Dastmalchian. Das Positive vorweg: Die letzte Fahrt der Demeter ist ein atmosphärisch dichter und schöner Horrorfilm, mit hervorragenden Darstellern, tollen Bildern und fantastischer Filmmusik von Bear McCreary. Das einzige Problem ist – er ist schlicht zu lang. Und wirkt genau nachdem, was er ist: Eine unnötig aufgeblasene Version einer sehr dichten, kurzen Spannungsgeschichte.
Und exakt das ist Die letzte Fahrt der Demeter bei einer (viel zu langen) Laufzeit von knapp zwei Stunden nämlich nicht: spannend! Das versucht der Regisseur mit einem überproportional hohen Anteil an Jump-Scares, insbesondere im mittleren Drittel des Films, zu kaschieren. Doch das rettet den Film nicht über ein gutes Mittelmaß hinaus und man verlässt das Kino mit dem schalen Geschmack, dass hier mal wieder viel Potenzial verschenkt wurde. Dass hier weniger mehr gewesen wäre. Dass in Die letzte Fahrt der Demeter ein toller 80-Minüter gesteckt hätte. Für die ADHS-Horrorgeneration ist das hier eindeutig zu langatmig. Und für traditionelle Horrorfans wohl einfach zu schlicht. Eventuell wird die Zeit dem Film aber auch guttun und er entwickelt sich später noch zu einem kleinen Klassiker. Möglich. Zumindest eine Abwechslung zum Horror-Einheitsbrei bietet Die letzte Fahrt der Demeter allemal.
Regie: André Øvredal, Drehbuch: Bragi Schut Jr., Zak Olkewicz, Darsteller: Corey Hawkins, Aisling Franciosi, Liam Cunningham, David Dastmalchian, Chris Walley, Jon Jon Briones, Stefan Kapicic, Filmlänge: 118 Minuten, Kinostart: 17.08.2023