Horror im Comic
Horror im Comic – diesem Thema widmet sich Alexander Braun in ausführlicher, geradezu wissenschaftlicher Art und Weise. Der prächtige Band, erschienen beim Berliner Avant Verlag, nimmt (fast) alles mit. Beginnend mit den Ursprüngen des gemalten Grauens, etwa bei Rembrandt, Caravaggio und Goya, erzählt Alexander Braun eine Historie des Horrorcomics. Ein besonderes Augenmerk bekommen die Anfänge in den 1950er Jahren der USA, wo William Gaines, der legändere Herausgeber berühmt-berüchtigter Formate wie Tales from the Crypt und The Vault of Horror, sich den Unmut der Zensurbehörden zuzog. Die darauf hin zum Halili gegen die gesamte Industrie bliesen – und sie tatsächlich für längere Zeit lahmlegten. Etwa durch die Einführung der Comic Code Authority, eines Selbstzensurprogramms, das Inhalte von da an streng reglementierte. Es kam damals auch zu publikumswirksamen öffentlichen Comic-Verbrennungen. Kein Scherz. Sogar das Gerichtsprotokoll einer geschichtsträchtigen Verhandlung, in der sich William Gaines zu rechtfertigen versuchte, ist in diesem Buch abgedruckt.
Doch natürlich werden auch noch andere Bereiche und Künstler ausführlich vorgestellt – etwa große Namen wie Frank Frazetta, Richard Corben, Moebius, Metal Hurlant, et cetera. Der Bogen wird bis zum heutigen Tag gespannt. Die späteren Kapitel des Mammutbuchs widmen sich dann einzelnen Figuren und deren Entwicklung im Laufe der Jahre des gezeichneten Bilds, wie Vampire, Werwölfe, Geister und andere. Ein besonders schönes Kapitel widmet sich den italienischen Fumetti Neri, und macht einmal mehr überdeutlich klar, wie wichtig es wäre auch mal diese Ecke dem deutschsprachigen Publikum näher zu bringen. Denn bis auf Dylan Dog dürften die wenigsten etwas von dieser Gattung Horrorcomics gehört haben. Typisch italienisch, hauen diese Werke voll auf die Zwölf und gehen immer einen Schritt weiter, als man das generell so gewohnt ist. Das letzte Kapitel beschäftigt sich dann eher kompakt mit dem Nippon-Horror, also dem japanischen Grusel-Mangas.
Mit diesem umfassenden Werk wird eine große Lücke in einer kleinen Nische geschlossen. Liebhaber der „neunten Kunst“, sowie Horror-Fans, als auch generell kunstaffine Personen mit einer gewissen Offenheit, können glücklich aufatmen. Auch wir haben nichts als Liebe für diese außergewöhnliche Arbeit bereit. Ein einziger Wehrmutstropfen ist das Fehlen der Arbeiten des Horror-Comic Verlags Chaos! Comics aus den 90ern (Evil Ernie, Lady Death, etc.) und das Wirken seines Schöpfers Brian Pulido. Wenn wir uns richtig erinnern, war das damals doch eine ziemlich große Nummer, die die Regeln des Spiels nochmal auf den Kopf gestellt hat. Und die komplette Absenz jeglicher Bemerkung macht ein wenig stutzig. Klar, auch andere Themen und Figuren fehlen hier. Und selbst ein derart singuläres und wuchtiges Werk wie Horror im Comic, kann nicht in jede Ecke leuchten. Die dargebotenen Kapitel sind jedenfalls an Information, Sorgfalt und liebevoller Aufmachung ohnehin nicht zu überbieten. Die Schwarte sollte einen Ehrenplatz in jeder Comic- und Kunstbibliothek bekommen, privat oder öffentlich.
Horror im Comic von Alexander Braun, 456 Seiten, erschienen im Avant Verlag.