Mond des verharschten Schnees (c) 2022 Waubgeshig Rice, Verlag Klaus Wagenbach(2)

Mond des verharschten Schnees

Apokalypsen gibt es viele, aber mit Mond des verharschten Schnees entführt Waubgeshig Rice den Leser gleich von Beginn an in eine vollkommen unbekannte Welt.

Vor langer Zeit wurden die Anishinaabe aus ihrer Heimat in ein Reservat in den unwirtlichen Norden Kanadas vertrieben. Die Winter in dieser Gegend sind harsch und erscheinen unendlich lang. Aber die in Überlebenstechniken erprobten Anishinaabe haben sich an ihre Umwelt angepasst. Jetzt droht eine neue Katastrophe, der Strom fällt aus und der Kontakt zur weit entfernten Außenwelt bricht komplett ab. Irgendetwas ist passiert, etwas großes und schlimmes. Evan und seine Familie müssen nicht nur ums Überleben kämpfen, sondern auch mithelfen, dass der Gemeinderat den Frieden unter den Einwohnern bewahrt. Doch dann taucht ein weißer Fremder auf und die angespannte Situation droht außer Kontrolle zu geraten.

Er beendete sein Gebet mit einem letzten kräftigen miigwech und krümelte den Tabak vor dem Elch auf die Erde. Das war seine Opfergabe an den Schöpfer und die Mutter Erde dafür, dass sie ihm gestattet hatten, dieses Leben zu nehmen. Auf diese Weise etwas zurückzugeben war Brauch bei den Anishinaabe, wie er ihn verstand.

Alleine durch das Setting gelingt es Waubgeshig Rice den Leser in eine fremde Welt zu versetzen. Der Alltag und das Leben der Anishinaabe, vorwiegend durch den Protagonisten Evan und seine Familie dargestellt, ist wohl für die meisten Leser etwas unbekanntes. Ähnlich wie die geschilderte Landschaft ist auch der Stil von Rice ein knapper und beinahe harscher Ton. Das verleiht der Geschichte zusätzlich Authentizität und macht das Geschehene glaubwürdig. Selbst das einbrechende Weltuntergangsszenario ist kein übertriebenes oder gar spektakuläres. Es genügt ein kompletter Stromausfall um die Welt und die ohnehin recht abgeschnittene Gemeinschaft der Anishinaabe vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein denkbar reales (und dadurch umso erschreckenderes) Szenario.

Doch es ist nicht nur das Setting und der Stil, das Mond des verharschten Schnees zu einer ungemein spannenden und interessanten Lektüre macht. In seinen besten und stärksten Momenten erinnert der Roman an Die Straße von Cormac McCarthy. Denn es geht nicht nur um den Schrecken und das Grauen eines Weltuntergangs und die Folgen für eine kleine Gemeinde. Es geht vor allem auch um das Zwischenmenschliche, um Evan und seine Familie. Auch in den leisen und ruhigen Momenten weiß Rice zu überzeugen. Er trifft die menschlichen Momente genauso gekonnt, wie das Grauen einer abgeschnittenen Gemeinschaft. Mond des verharschten Schnees ist eine durchwegs stark geschriebene und erschreckende Apokalypye, ruhig, aber doch voller Spannung.

Mond des verharschten Schnees von Waubgeshig Rice, 224 Seiten, erschienen im Verlag Klaus Wagenbach.

Mond des verharschten Schnees