Styx
Inhaltlich hochaktuell, dabei genauso beeindruckend wie auch verstörend präsentiert sich das Drama Styx von Regisseur Wolfgang Fischer. Notärztin Rike (Susanne Wolff) nimmt sich eine Auszeit vom stressigen Alltag. Dabei zieht es sie nach Gibraltar, das zugleich der Startpunkt ihres Segelturns in Richtung einer kleinen Insel mitten im Atlantik ist. Auf einem Motorsegelboot ist sie ganz auf sich alleine gestellt und allen Wetterlagen ausgesetzt. Doch die karge Landschaft des Atlantiks meistert Rike mit Bravur.
Schwieriger wird da schon ihre Begegnung mit der Grausamkeit der Menschheit, als sie mitten auf hoher See plötzlich einer Herausforderung ins Auge blickt, welche sie an den Rand der Verzweiflung bringt. Denn nach einem Sturm entdeckt sie einen mit Flüchtlingen überladenen Fischkutter und wird mit der Ohnmacht einer schrecklichen Not konfrontiert.
Wie radikal darf es sein, wenn es um die Not von flüchtenden Menschen geht? Der österreichische Regisseur Wolfgang Fischer (Was du nicht siehst) wagt auf den ersten Blick einen etwas nüchternen Blick auf die Situation. In der reduzierten Landschaft des Atlantiks wirft er einen fast dokumentarischen Blick auf die Erzählung.
Kamera und Ton fangen dabei raue Bilder und Töne ein, tragen so den Film maßgeblich mit und erlauben keine Distanz zur tragischen Geschichte der Protagonistin. Susanne Wolff (Das Fremde in mir) verkörpert scheinbar das Wesen der westlichen Welt dabei souverän. Sie wird nicht nur als gut organisiert und ausgestattet, sondern darüber hinaus auch als kultiviert und gebildet dargestellt. Sobald sie auf die hilflosen Flüchtlinge trifft, kommt ihr vermuteter Perfektionismus ins Wanken und Überforderung macht sich breit.
Das „Problem“, das Styx hat, ist, dass er wohl nicht in dem Maße schockiert, wie er es verdient hätte. Denn die Geschichten rund um gekenterten Flüchtlingsschiffe, Tote im Meer und an den Stränden sind der breiten Öffentlichkeit mittlerweile bekannt. Zu frustrierend ist, dass sich die Frachter großer Reedereien und die einzelne Institutionen strikt an irrsinnige Vorgaben halten, statt rasch einzuschreiten und Menschenleben ohne Rücksichtnahme auf politische Vereinbarungen zu retten. Zu deprimierend ist es auch weitergehend, dass es am Ende einzelne Individuen sein müssen, die das Leid nicht mehr ertragen und zur Aktion übergehen, wo doch ein kollektives Ganzes effizienter wäre.
Styx zeigt einen Aspekt der Flüchtlings-Realität und jenen von Helfern in all seiner zermürbenden Härte, ohne dabei übertrieben anklagend zu sein oder sich enormer Brutalität als Mittel zum Zweck zu bedienen. Ein unbequemer Film, der die humanitäre Katastrophe realistisch darstellt und die oftmalige Doppelmoral der westlichen Welt im Angesicht der Migrationskrise anklagt.
Regie: Wolfgang Fischer, Drehbuch: Wolfgang Fischer, Ika Künzel, Darsteller: Susanne Wolff, Gedion Oduor Wekesa, Filmlänge: 94 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V‘18