Tully
Bevor die Fortsetzung der Geschichte des gruseligsten Kino-Kindermädchens (genau die, die mit dem Regenschirm rumfliegt und singend durch Zeichentrick-Landschaften tanzt) kommt, zaubern Diablo Cody und Jason Reitman ihre eigene Version von Mary Poppins.
Charlize Theron (genial deprimierend) komplettiert das Trio, das in Young Adult einen ähnlich ernüchternden Blick auf eine vermeintlich wundervolle Zeit im Leben warf. In der Tragikomödie gehen die Drehbuchautorin und ihre Hauptdarstellerin einen entscheidenden Schritt weiter – nur um kurz vorm Ziel erschreckt von der eigenen Courage einen Satz zurück zu machen.
Der brillante Auftakt der Story einer geplagten Mehrfachmutter rekapituliert statt einer Lebensphase ein Lebensmodell, das paradigmatisch für das Gesellschaftskonzept eines weiblichen Idealdaseins steht. Marlo (Charlize Theron) hat eine Mittelklasseexistenz, einen Mann, zwei gemeinsame Kinder und bald ein Drittes. Gatte Drew (Ron Livingston) ist ein Loser, der an der Playstation hängt, Söhnchen Jonah (Asher Miles Fallica) verhaltensgestört, was bloß keiner je ausspricht, Tochter Sarah (Lia Frankland) wird vernachlässigt und das Baby war ein Unfall. Davon gibt es zwei, die einen zentralen Wandel in Marlos Perspektive einrahmen.
Nacht-Nanny Tully (Mackenzie Davis) schwebt dank Marlos reichen Bruders (Mark Duplass) in ihre Hölle aus schlaflosen Nächten. Die quirlige Fürsorge der neu gewonnenen Vertrauten öffnet ihr die Augen dafür, was sie für vollgeschissene Windeln und Babykotze aufgegeben hat: Körperkontrolle, emotionale Gesundheit, Freiheit, Freundschaft, Spaß. Den Weg zurück, den Marlo eines Nachts verzweifelt sucht, gibt es nicht. Doch statt den von der Protagonistin eingeschlagenen Ausweg zu Ende zu gehen, verrennt sich die Story in einer Lüge, fast so falsch, reaktionär und verkitscht wie Tullys regenschirmbeflügeltes Vorbild.
Regie: Jason Reitman, Drehbuch: Diablo Cody, Darsteller: Charlize Theron, Mackenzie Davis, Emily Haine, Mark Duplass, Ron Livingston, Elaine Tan, Filmlänge: 93 Minuten, Kinostart: 31.05.2018