Detroit
Kathryn Bigelows filmisches Statement zum proliferierenden Rassismus ihres Heimatlandes ist von Objektivität so weit entfernt wie vom historischen Hintergrund, dem Zündstoff der 1967 in Detroit aufflammenden Unruhen. Redlining, Segregation und alltägliche Bürgerrechtsverletzungen deutet der Einleitungstext kaum an.
Umso nachhaltiger unterstreicht der unilaterale Geschichtsabriss dafür die vorgebliche Rechtschaffenheit der Polizeieinheiten. Den ersten Stein werfen sinnbildlich und praktisch die farbigen Anwohner, die dabei keineswegs ohne Schuld sind. Die Cops? Machen in den gefährlichen Slums nur ihren Job. Der ist in der ersten Nacht der Ausschreitungen vom 23. bis zum 27. Juli in einem Nachtclub. Ein schwarzer Detective ist auch dabei. Krasser Zufall, war die Polizei damals doch zu 95 Prozent weiß.
Aus Gründen, die der in drei unausgewogene Akte zerfallende Plot geflissentlich verschweigt, sind Polizisten auf der Party nicht willkommen. In Rage versetzt das nur besagten Officer, der gegen den jungen Aubrey (Nathan Davis Jr.) rabiat wird. Die anschließende Polizeifolter ist aber nur zu Einschüchterungszwecken vorgetäuscht. Schwarze stecken bei Bigelow alle unter einer Decke. Anders weiße Polizisten (Jack Reynor, Ben O’Toole). Sie melden Verstöße, eigene und der Kollegen. Das Bild eines korrupten Polizei- und Staatsapparats konterkariert die stilistisch tadellose Inszenierung systematisch. State Troopers und Nationalgarde sind wohlgesonnene Ordnungshüter, die verhindern wollen, dass die Ansässigen „ihr eigenes Viertel verwüsten“. Die handlungszentrale Horrornacht im Algiers Motel provozieren im Film passenderweise die schwarzen Protagonisten.
Wie in Zero Dark Thirty verfälschen Bigelow und Drehbuchautor Mark Boal die Fakten geschickt, indem sie Schlüsselereignisse ändern und den politischen Kontext supprimieren. Sexuelle Polizeiübergriffe gegen zwei weiße Mädchen (Hannah Murray, Kaitlyn Dever) im Algiers wird verharmlost und Mord zum Missverständnis heruntergespielt. Richtig fies ist lediglich ein einzelner psychopathischer Babyface-Cop (Will Poulter), dessen Freispruch kein rassistisches System enthüllt, sondern in Verfahrensfehlern begründet ist. Dumm gelaufen, aber böse Absicht war das nicht, lautet die klare filmische Botschaft. Zynisch wird das anhaltende Trauma gar zum Mittel moralischer Läuterung: eine Hobbyhure wird zur braven Hausmutter, ein oberflächlicher Motown-Musiker (Algee Smith) zum Kirchenchorsänger und der geschichtliche Rassismus zur unheimlichen Analogie dessen in Hollywood.
Regie: Kathryn Bigelow, Drehbuch: Mark Boal, Darsteller: John Boyega, Will Poulter, Algee Smith, Jacob Latimore, Anthony Mackie, Jack Reynor, Filmlänge: 143 Minuten, Kinostart: 24.11.2017