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The Legend of Zelda: Breath of the Wild

10
Action-Adventure

Mit dem Release von The Legend of Zelda: Breath of the Wild versucht Nintendo wieder Anschluss an den Rest der Industrie zu finden. Ob das gelingt? Die Entwickler von The Legend of Zelda haben es nicht leicht. Kaum jemandem sieht man so genau auf die Finger wie den Schaffern dieser mysteriösen, Puzzle-gefüllten Fantasy-Welten, Spiele der Reihe werden auf Jahre bis ins letzte Detail zerlegt und mit breiter Aufmerksamkeit diskutiert. Und so ist ein neuer Release ein Ereignis, das alles andere im Gaming-Bereich überschattet.

Doch ist eine derartige Aufmerksamkeit noch gerechtfertigt? Zuletzt war die Reihe merkbar am stagnieren. Natürlich hat sich bis heute niemand in der Industrie die Mühe gemacht, vergleichbare Spiele zu entwickeln und so besitzt Zelda einen automatischen Freifahrtschein in die Herzen seiner Fans. Doch wenn man sich die letzten Teile in Erinnerung ruft, fehlt doch irgendwie immer dieses gewisse Etwas. Nintendos Entwickler arbeiten oft stur an irgendwelchen Gimmicks, statt breitgetretene Design-Mechanismen aus der Vergangenheit zu hinterfragen und so ist die Reihe, die mit Ocarina of Time eigentlich den Spielablauf von offenen 3D-Welten überhaupt definiert hat, in manchen Belangen weit zurückgefallen. Und genau dieser Umstand ist es, der die Welt so gespannt auf The Legend of Zelda: Breath of the Wild warten hat lassen.

Offenkundig ist dieser Release der Versuch von Nintendo mit seiner renommierten Zelda-Reihe wieder zum Rest der Industrie aufzuschließen. Ist Breath of the Wild also jetzt endlich „auch“ Open-World und damit ein Teil der berechenbaren Videospiel-Maschinerie, die uns Release für Release praktisch idente, Fokusgruppen-gerechte Einheitsprodukte zum Verzehr vorwirft? Mitnichten.

Ausgerechnet Zelda ist es nun, das diesem Genre völlig neues Leben einhaucht. Ausgerechnet, da keine andere Reihe so berüchtigt dafür, ist den Spieler in das enge Korsett eines linearen, Tutorial-lastigen Spielablaufs zu zwängen. Denn in Wahrheit sind die meisten Open-World-Releases weit davon entfernt, dem Spieler eine offene Welt zu servieren. Man stapft eigentlich immer durch stark segmentierte Umgebungen und folgt stupide irgendwelchen Questpointern, um sich durch eine lineare Handlung zu mühen. Der Spieler wird an der Hand genommen wie ein Kind und man merkt den Schaffern praktisch zu jedem Zeitpunkt die panische Angst an, es könnte sich irgendwo verlaufen und eine Ecke entdecken, in der der Farbanstrich abzublättern beginnt.

Hier setzt Zelda einen Schlussstrich. Breath of the Wild ist in erster Linie eine Errungenschaft für den Spieler, denn endlich darf dieser wieder die Kontrolle an sich reißen. Nach einer recht zügigen Einleitung, in der man alle Werkzeuge erhält, die Voraussetzung für das Erkunden der Welt sind (primär zum Lösen neuartiger, Physik-basierter Puzzles), geht die Reise los. Wohin? Das weiß nur der Wind. Zelda hat keine Strukturen, keine brennenden Handlungsstränge, die den nächsten Punkt der Aufmerksamkeit auf eine Koordinate reduzieren. Der Spieler ist völlig frei seinen eigenen Weg anzutreten, das Interesse ist gelenkt durch Punkte am Horizont – um diese zu erreichen kommt man nicht um eine echte Reise herum. Man durchstreift Täler, überquert Berge und Flüsse, kommt vorbei an Städten und Siedlungen – Wer es da schafft, bei seinem Ziel zu bleiben und sich nicht dem erstbesten Gerücht nach in eine Abzweigung in ein angrenzendes Tal zu stürzen, der hat eine Meisterklasse an Selbstbeherrschung erreicht.

Auf dem Wegesrand gibt es so viele Ablenkungen, dass man sich nach kurzer Zeit kaum noch beherrschen kann. Die prominentesten darunter sind Schreine, die überall in der Welt verstreut sind. Manchmal winken sie schon aus weiter Entfernung, manchmal warten sie bestens versteckt hinter Wasserfällen oder eingestürtzen Höhlen auf ihre Entdeckung. In den über 100 Pilgerstädten warten Mini-Dungeons auf den Spieler, in denen das gewohnte Zelda-Gameplay seinen Raum findet. Lösen von kniffligen Logikaufgaben, Kämpfen mit gefährlichen Roboter-Kreaturen: Für Abwechslung ist hier garantiert.

Als Belohnung winken Herz-Container – wer kann sich angesichts solcher Reichtümer also noch seiner ursprünglichen Ziele besinnen. Doch das ist bei Weitem nicht alles: Die Welt ist vollgestopft mit kleineren Entdeckungen, die ohne Unterlass zu überraschen wissen. Nicht jeder einzelne Hügel birgt einen Schatz, aber gerade genug, sodass man des Suchens nie müde wird. Und für Zelda-Begriffe ist das wohl Bemerkenswerteste daran, dass es kaum eine Schatzkiste  oder ein Upgrade gibt, das nicht hoch willkommen ist.

Dafür sorgt vor allem die Tatsache, dass das Gameplay mit zahlreichen komplexen Mechaniken aufgewertet wurde. Es findet sich praktisch ein Best-Of japanischer Spielekultur. So finden sich neben unzählige Einflüsse der Monster Hunter-Reihe und von heißen wie auch kalten Umgebungen, die mit temporären Tinkturen erträglich gemacht werden müssen bis hin zu unzähligen Waffenklassen und wuchtigen Kampfeinlagen, die eine genaue Koordination von Positionierung und Timing einfordern, alles, was den Abenteurer reizen könnte. Darüber hinaus finden viele Rollenspiel-Elemente aus jüngeren Vorlagen wie Xenoblade Chronicles ihren Einzug, die sich in Form von Hitpoints der Gegner oder zahlreichen Ausrüstungsgegenständen widerspiegeln. Auch Stealth-Elemente aus Metal Gear Solid dürfen da nicht fehlen, wenn man im Schutz von hohem Gras um eine feindliche Festung schleicht, um den besten Einstiegspunkt auszukundschaften, während man seinen Geräuschpegel im Auge behält.

All das und mehr sorgt dafür, dass der Spieler mit einem nie zu enden wollenden Strom an sinnvollen Upgrades versorgt werden kann. Waffen brechen bei Gebrauch und das Inventar ist stark begrenzt. So wird es schnell zur Priorität, das Inventar auszuweiten oder das klassische Mastersword zu finden, das immerhin bruchfest ist. Völlig natürlich entwickeln sich im Spieler Prioritäten, die das Geschehen sinnvoll lenken, ohne dass jemals eine unsichtbare Wand oder ein Quest-Pointer notwendig wird.

Doch all das soll nicht heißen, dass nicht eine gewohnt starke, künstlerische Vision hinter dem Titel steht. Das Erkunden in freier Wildbahn will das Spiel vor allem anderen vermitteln. Während so viele Titel glorreich scheitern, erhebt sich Zelda zum Status eines Meisterwerks. Natur ist geprägt durch Abweichung der Norm: Es reicht nicht eine virtuelle Umgebung prozedural mit den immer selben Eindrücken aufzuhübschen – vor allem wenn man wie in Zelda auf wirklich jeden Punkt, der nur irgendwo sichtbar ist, hinaufklettern kann um ihn sich genauer anzusehen.

Wobei: Zelda schafft es natürlich nicht seine unfassbar große Welt mit völlig unterschiedlichen Assets zu füllen. Doch beim Erforschen merkt man deutlich, dass die Designer sich die Mühe gemacht haben, genau die richtige Balance zu finden. So gibt es Bergspitzen, auf denen man genau diesen einen spezifischen Käfer findet, den es nirgendwo sonst zu finden gibt; diesen einen Teich, in dem es Vegetation gibt, die es sonst nirgendwo zu sehen gibt. Diese eine Stelle, wo plötzlich eine gigantische Kreatur auftaucht, die es nirgendwo sonst in der Welt zu finden gibt.

Das Erkunden der digitalen Welt von Zelda ist ein ewiger Strom an Sinneseindrücken, die sich durch eine schier unerreichte Vielfalt und Variation auszeichnen – die Errungenschaft ist dabei, dass alle diese Elemente in einer einzigen, gigantischen zusammenhängenden Welt verknüpft sind. Detaillierte Vulkanlandschaften locken vom anderen Ende der Welt genauso wie mysteriöse Wälder oder nebeldurchzogene Berge. Sobald man als Spieler gelernt hat, dass es praktisch überall überraschende Elemente zu entdecken gibt, ist kein Entrinnen mehr möglich. Die Tatsache, das die zahlreichen Spielmechaniken dafür sorgen, dass die klassischen Dungeons in jeder beliebigen Reihenfolge absolviert werden können, unterstreicht diese Freiheit weiters – denn egal wohin es die Aufmerksamkeit zieht, es wartet sinnvoller Spielfortschritt.

Man kann Breath of the Wild vorwerfen, dass es auf technischer Ebene keine neuen Maßstäbe setzt. Gerade ein Blick in die Ferne ist durchzogen von verwaschenen Texturen und oftmals problematischen Framerates. Doch muss man fairerweise auch sagen, dass es selten ein Spiel gab, in dem man so viel einer zusammenhängenden Spielwelt auf einmal zu sehen bekam. Und immerhin verstanden es die Designer, diesen Umstand gnadenlos auszunutzen: Man darf als Spieler unentwegt auf seine kilometerweit entfernten Errungenschaften blicken, während man Stunden später schon am anderen Ende der Welt ganz anderen Abenteuern nachgeht. Der Soundtrack ist gleichfalls ein Erlebnis: Ein Spiel wie Breath of the Wild, das sicher über hundert Stunden Aufmerksamkeit einfordert, ist gut daran beraten eine absolut minimalen, atmosphärische Hintergrundmusik einzusetzen. Doch zu den unzähligen denkwürdigen Momenten im Spiel gesellt sich immer genau in jenem Moment, wenn es notwendig wird, ein famoses, passendes Musikstück, das die Atmosphäre zur Perfektion abrundet.

Und so liefert Nintendo auf der neuen Switch (unsere Testversion) und auch auf der Wii U mit The Legend of Zelda: Breath of the Wild ein Meisterwerk, das nicht nur an den Rest der Industrie aufschließt, sondern beinahe mühelos daran weit vorbeizieht und, was das Design von offenen Welten und den Respekt vor der Mündigkeit des Spielers betrifft, völlig neue Maßstäbe setzt. Dabei, wie so typisch für alles aus dem Hause Nintendo, hat man doch eigentlich nur den Anschluss zum Ursprung wiedergefunden, zum allerersten Zelda, in dem ein Spieler sich bereits in den 1980ern in ein Abenteuer stürzen durften, in dem er völlig auf sich gestellt war.

Plattform: Switch (Version getestet), Wii U, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 12, Release: 03.03.2017, zelda.com/breath-of-the-wild




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