Midnight-Special-(c)-2016-Warner-Bros.(2)

Midnight Special

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Sci-Fi

Das Beste an Jeff Nichols Berlinale-Beitrag Midnight Special sind zwei Dinge: Erstens das Poster, auf dem ein kleiner Junge mit blauer Taucherbrille und Taschenlampe unter einem Bettlaken hervorguckt, eines der suggestivsten Plakatmotive auf dem Festivalgelände. Zweitens der Titel mit seinen Assoziationen von Midnight Movies, Folk Balladen und, nun, etwas Besonderem.

Etwas Besonderes behauptet die schemenhafte Story zu sein und diese Suggestion funktioniert erstaunlich gut – etwa die ersten 15 von 111 Minuten. Die zeigen den Hauptcharakter Roy (Michael Shannon) wie er sich mit seinem Komplizen Lucas (Joel Edgerton) in einem Motelzimmer versteckt hält. Die beiden sind bewaffnet und bei ihnen ist der 8-jährigen Alton (Jaeden Lieberher), der laut einer Fernsehdurchsage entführt wurde. Jetzt kommt die Szene mit der Taschenlampe. Allerdings ließt Alton unter der Decke bloß Comics. Die Enthüllung ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Film mittels der Prämisse, vagen Vorab-Informationen und konventionellen Genremitteln aus dem Nichts Spannung aufbaut.

 

Alles ist deutlich inspiriert von M. Night Shyamalan, aber trotzdem keine üble Voraussetzung für einen Si-Fi-Thriller. Leider verpufft die Spannung einfach, wohl ebenfalls inspiriert von M. Night Shyamalan. Gleich ihm konstruiert Nichols eine vielversprechende Basis, baut sie aber nicht aus. Anderes war scheinbar nie geplant: „Ich wollte eine Verfolgungsjagd drehen. Einen Film über Typen, die in einem schnellen Wagen über Nebenstraßen durch den amerikanischen Süden brettern, nachts und mit ausgeschalteten Scheinwerfern“, erzählt der Regisseur.

Seine Protagonisten machen genau das. Alton, für den die Männer alles riskieren, ist dabei nur ein überirdischer McGuffin. Seine X-Men-Fähigkeiten machen ihn zu einer Version des Koffers in Kiss me deadly oder der Bundeslade in Indiana Jones und der Jäger des verlorenen Schatzes, die bedeutungsschwere Sätze äußert wie: „Sie beobachten uns. Sie beobachten uns schon lange.“ In den falschen Händen kann Alton eine tödliche Waffe sein, glaubt die Regierung, die ihn jagt. In den richtigen Händen ist er der neue Jesus, glaubt eine Sekte, die ihn ebenfalls jagt. Nichols ist da familienorientierter. Ein Sohn gehört seinem Vater und das ist Roy!

Mutter Sarah (Kirsten Dunst) ist in dem hohlen Plot, der alle guten Charaktere im Mormonen-Look rumlaufen lässt, völlig unfähig ohne männlichen Beistand auf ihr Kind achtzugeben. So wird Alton hin und her gekidnappt. Das hält die Ereignisse am Laufen, während das Interesse daran sich verflüchtigt. Wäre Midnight Special eine DVD, würde man jetzt wohl bis zur Auflösung vorspulen. Also sieht man zu, wie Nichols seine Grundidee auswalzt. „Sie befinden sich auf der Flucht, sie werden gejagt und bewegen sich gleichzeitig auf etwas extrem Bedeutendes zu, obwohl wir zunächst nicht wissen, worum es sich handelt.

Am Ende weiß man es immer noch nicht. Es gibt Raum für einige ungute fundamentalistische religiöse Auslegungen. Wer sich langweilt, recherchiert „Mormonism“ nach. Wer die beruhigend harmlose Option bevorzugt, sucht Nichols vorletzten Film Take Shelter oder E.T. raus. Wer den Film noch nicht gesehen hat, guckt stattdessen lieber nur das Poster an.

Regie und Drehbuch: Jeff Nichols, Darsteller: Adam Driver, Kirsten Dunst, Joel Edgerton, Michael Shannon, Sam Shepard, Filmlänge: 111 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2016www.midnightspecialmovie.com




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