Metal Gear Solid V: The Phantom Pain
Fans der Metal Gear Solid-Reihe haben zum namhaften Erschaffer Hideo Kojima ein ambivalentes Verhältnis. Innerhalb der Serie finden sich die gelobtesten und verhasstesten Momente der Spielekultur gleicher Maßen, in der Regel weiß man also – wie in jeder missbräuchlichen Beziehung – nie womit man beim nächsten Zusammentreffen konfrontiert wird.
Besonders spannend sind diesmal die umgebenden Umstände: Die 80 Millionen US-Dollar, die die Entwicklung des Titels gekostet hat, waren der letzte Tropfen im langjährig wachsenden Zerwürfnis zwischen Kojima und Publisher Konami. Für Konami ist die Schmerzgrenze ein für alle mal erreicht, denn mit Metal Gear Solid V: The Phantom Pain bringt man, abseits der Pro Evolution Soccer-Reihe, den letzten großen Konsolenrelease auf den Markt. MGS V ist ein Titel, der für eine ganz bestimmte Machart berühmt geworden ist: Neben wendungsreichen Handlungen, irrwitzigen Bosskämpfen und pompösen Zwischensequenzen ist der Kern der Reihe das taktische Stealth-Gameplay, mit dem der Erfinder Kojima ein ganzes Genre begründet hat.
So gesehen muss man es dem Titel zunächst lassen, dass er sich ganz und gar auf diesen Kern spezialisiert, denn Zwischensequenzen, Bosskämpfe oder Plot sucht man hier beinahe vergebens. Metal Gear Solid V: The Phantom Pain ist durch und durch eine Spionage-Simulation, die mit einem Open-World Setting für die Serie ganz neue Wege einschlägt. Der Protagonist? Irrelevant. Die Mission? Trivial.
Das Geschehen definiert sich durch bereits aus dem Vorkapitel Metal Gear Solid V: Ground Zeroes bekannte Abläufe: Der Spieler begibt sich zunächst an den Ort der Mission – einem verfallenen Palast, einem Gefängnis, oder eine Ölförderanlage. Mit Fernglas wird die Umgebung genau erkundet und frei nach Ubisofts Far Cry werden die Gegner sondiert. Markierte Gegner sind nun ähnlich Batmans Detektivmodus (aus der Arkham-Reihe) stets sichtbar. Nach getaner Arbeit taucht man mitten ins Geschehen ein und versucht, die markierten Wachen auf dem Weg zum Missionsziel zu umgehen.
In der Regel hat man natürlich irgendjemanden übersehen und mit guten Reflexen wird das überraschte Gegenüber rasch betäubt und per Luftballon (!) aus der Umgebung entfernt, um forthin den Dienst in der gegnerischen Basis zu verrichten. Hat man sein Ziel erreicht, gilt es meistens eine gefangene Person unbemerkt zu befreien oder einen taktischen Ort zu sabotieren. Die Kunstfertigkeit des Titels ist es, nun diesen einfachen Ablauf immer weiter mit neuen Fähigkeiten oder unerwarteten Wendungen zu bereichern.
So kann Snake einen Hund mitbringen, der die Wachen für ihn automatisch per Ballon entführt. Oder er bringt einen weiblichen Scharfschützen mit, der aus der Ferne Gegner markiert und Probleme beseitigt. Es ist absolut bemerkenswert, wie der Titel es zustande bringt, über 100 Stunden immer wieder sinnvolle Erweiterungen einzuführen, die das Gameplay interessant und abwechslungsreich halten. Und gerade in dem Moment, an dem man sich an einen etwas eintönigen Missionsablauf gewöhnt hat, tauchen auch schon wahnwitzige Elemente wie gigantische Kampfmechs oder Zombie-Armeen auf, die den Alltag durchmischen.
Ein weiteres Element ist die Basis, die man ähnlich wie bereits im Vorgänger Peace Walker frei verwalten kann. Da werden gigantische Erweiterungen gebaut, sodass völlig nebenbei ein Areal entsteht, das woanders bereits für sich ein komplettes Videospiel ausfüllen würde. Personal wird verschiedenen Bereichen zugewiesen und kann so neue Upgrades erforschen oder in Missionen Geld und Ressourcen einsammeln. Aber auch dieses Element, welches die Minuten, in denen man auf das Ende eines Alarms wartet deutlich unterhaltsamer gestaltet, ist mehr als nur eine Spielerei und stellt im Lauf der Handlung mit all seinen Elementen einen zentralen Teil des Spielablaufs dar.
Überhaupt ist an dem Spiel wenig unnötiger Ballast enthalten. Beinahe jedes Element erfüllt einen sinnvollen Zweck, Zwischensequenzen gibt es gerade mal an Stellen, die unbedingt notwendig erscheinen. Dialoge sind nun Tonbänder, die man sich nebenbei auf der langen Reise durch die Wüste anhören kann. Die offene Spielwelt ist nicht mehr als eine Kulisse für strukturierte Missionen, mit gerade genug Inhalt um den einen oder anderen Abstecher in eine auf dem Weg gelegene Basis zu rechtfertigen. Missionen speisen sich so aus einem stetig wachsenden Arsenal des Spielers und der Gegner sowie abwechslungsreichen Arealen in Afghanistan und Afrika – und bleiben selbst ohne die berüchtigten Bosskämpfe und Handlungswendungen weitaus länger interessant als üblich.
Die FOX-Engine selbst liefert atemberaubende Eindrücke und auch der Soundtrack unterstreicht die spannenden Situationen perfekt. Im Großen und Ganzen ist Metal Gear Solid V: The Phantom Pain ein Titel für ein völlig neues Publikum: Mit perfekt abgestimmtem Gameplay weiß der Titel meisterhaft über dutzende Stunden zu unterhalten und enthält gerade genug MGS-DNA um auch die Fans der ersten Stunde nicht komplett zu entfremden. Schade nur, dass sich das Erlebnis gegen Ende hin etwas unfertig anfühlt und mittlerweile zudem dokumentiert ist, dass Kojima weite Teile der geplanten Handlung nicht verwirklichen konnte.
Plattform: PC (Version getestet), PS3, PS4, Xbox One, Xbox 360, Spieler: 1, 1-16 online, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 01.09.2015, www.konami.jp/mgs5