100 DVDs in 100 Wochen: Paris, Texas
Film Nummer 24 in 100 DVDs in 100 Wochen stammt aus dem Jahr 1984 und ist Gewinner der Goldenen Palme des Filmfestvials in Cannes: Wim Wenders‘ Paris, Texas.
Der Film ist mit einer Lauflänge von 139 Minuten eine Herausforderung, vor allem weil in den ersten Minuten kein einziges Wort über die Lippen des Hauptdarstellers Travis (Harry Dean Stanton) kommt. Was aber auffällt ist die Kraft der Bilder, Kameramann Robby Müller hat hier wahrlich ein Meisterwerk geschaffen.
Kurz zum Inhalt: Vier Jahre nach seinem Verschwinden taucht der von seiner Familie tot geglaubte Travis in der Wüste nahe der mexikanischen Grenze wieder auf. Sein Bruder Walt (Dean Stockwell) nimmt ihn bei sich auf und konfrontiert Travis mit seinem mittlerweile acht Jahre alten Sohn Hunter (Hunter Carson). Die beiden brauchen natürlich eine Weile um sich wieder aneinander zu gewöhnen. Doch die Vergangenheit lässt Travis keine Ruhe und so machen sich er und sein Sohn auf die Suche nach seiner Frau Jane (Nastassja Kinski), die ebenfalls verschwunden ist. Der einzige Hinweis ist eine Bank in Houston, von welcher sie immer am 5. des Monats Geld für Hunter auf ein Sparkonto überweist.
Besonders faszinierend ist nicht nur die mysteriöse Geschichte von Paris, Texas, sondern vor allem die stark surreal wirkenden Bilder von Kameramann Robby Müller. Wie schon bei Edward Hopper, könnte man problemlos sämtliche Szenen als gemalte Bilder in eine Ausstellung hängen, die starke Symbolik und die Auswahl der Farben sprechen für sich. Zu genau diesem Thema, möchte ich auch gerne aus der Innenseite der DVD Dieter Kosslick zitieren: Wunderbar auch die Farbdramaturgie: Bei seinem ersten Auftritt trägt Travis eine rote Mütze. Später wird sie durch ein rotes Hemd ersetzt, als er mit seinem Sohn, ebenfalls im roten Hemd, das rote Auto der Mutter verfolgt, die ihrerseits beim ersten Gespräch mit Travis im roten Pulli und mit roten Lippen in einem rot eingerichteten Zimmer sitzt. Doch die Farbe Rot, die für die Liebe steht, passt nicht zur Vater-Mutter-Beziehung. Liebe kann es zwischen diesem Mann und dieser Frau nicht mehr geben. Als die Mutter am Ende den Sohn wieder sieht, sind beide in Grün gekleidet – denn für die Zukunft der beiden gibt es Hoffnung.
Doch es sind nicht nur die Farben, welche diesem Film zu einem Meisterwerk machen. Die Aussprache zwischen Travis und Jane ist derart berührend, dass sich die Protagonisten nicht einmal gegenseitig in die Augen schauen können – sie sprechen jeweils mit dem ganzen Körper abgewandt und schaffen es so, die Anfangsjahre ihrer Ehe und die Zeit bis jetzt Revue passieren zu lassen. Ein weiterer Protagonist, welcher dem Film zu dem macht, was er ist, ist die Landschaft. Eigentlich wollte Wenders seinen Helden quer durch die USA schicken, doch Sam Shepard, einer der Drehbuchautoren, belehrte ihn eines besseren und meinte, dass die gesamten Vereinigten Staaten schon in Texas enthalten wären. Und tatsächlich konnte Wenders nichts Besseres passieren, denn schon allein die Ortsnamen hätte man sich nicht besser ausdenken können. So lag etwa die Tankstelle, welche in der öden Wüstenlandschaft lag, aus welcher Travis aus dem Nichts auftauchte, in „Devil’s Graveyard“.
Meine Empfehlung: Wer sich 139 Minuten Zeit nehmen kann und einen wirklich guten Film sehen möchte, der faszinierende Bilder, eine reichhaltige Symbolik und fantastische Schauspieler beinhaltet, dem sei Paris, Texas ans Herz gelegt.
Das nächste Mal geht es weiter mit Alfred Hitchcock’s Der unsichtbare Dritte.