South Park: Der Stab der Wahrheit
Mehrere Versuche in unterschiedlichsten Genres erfolgten bisher, doch noch keine Videospielversoftung der Erfolgsserie South Park konnte bis jetzt wirklich überzeugen. South Park: Der Stab der Wahrheit soll dies nun ändern.
Bereits 1998 wurden erste Bestrebungen unternommen, die kontroverse, zutiefst sarkastische und ganz klar für ein erwachsenes Publikum konzipierte TV-Serie als Videospiel der Gamer-Community schmackhaft zu machen. Vom Mario Kart-Klon (South Park Rally, 2000), Tower Defense-Ableger (South Park Let’s Go Tower Defense Play!, 2009) bis hin zum bemühten Plattformer (South Park: Tenorman’s Revenge, 2012) wurde quer durch alle beliebten Spielegenres versucht, sowohl eingefleischten Fans der Serie als auch Gamern das umfassende Spektakel des umtriebigen Duos Matt Stone und Trey Parker zu verkaufen – mit bislang mäßigem Erfolg.
South Park: Der Stab der Wahrheit will dies nun mit zwei Komponenten schon im Vorfeld schaffen: Zum einen wurden Stone und Parker direkt am Projekt beteiligt (sie haben die Story geschrieben und sprechen, wie in der TV-Serie, die Charaktere), zum anderen stellt der Titel nun ein actionreiches Rollenspiel der alten Schule dar, das optisch die Vorlage perfekt zu kopieren vermag.
Altbekannte RPG-Kost bietet das Spiel also schon beim Einstieg: Aus einem – den Verhältnissen der gewohnt vereinfachten, 2D-animierten Serie entsprechend – umfangreichen Charaktereditor lässt sich die Spielfigur, die Story-technisch gerade mit seinen Eltern nach South Park gezogen ist („The New Kid in Town„), erstellen und wird nahtlos in das Gefüge der bekannten Serien-Charaktere verwoben. Mit dem Auftrag, neue Freunde zu finden, zieht der Spieler also los, nur um schon nach einigen Momenten zu erfahren, das Krieg in der Kleinstadt vorherrscht – zumindest in der ausufernden Fantasiewelt der Kinder South Parks.
Ein Kampf zwischen „Menschen“ gegen Elfen rund um den titelgebenden Stab (ein X-beliebiger Ast, natürlich) ist zentrales Motiv der Story – und der Spieler befindet sich von Beginn an mitten im Konflikt. Schnell vom Anführer der Menschen – vom latent rassistischen Cartman als Gandalf-Klon verkörpert – zum „Douchebag“, also grob übersetzt Waschlappen, umbenannt, darf eine erste entscheidende Wahl für den weiteren Spielverlauf getroffen werden, nämlich die Charakterklasse. Eine klassische Auswahl mit typischen South Park-Humor: Neben Krieger oder Magier darf auch als Jude samt Kippa und Schläfenlocken in die Schlacht gezogen werden. Das auf der Suche nach dem von den Elfen gestohlenen Stab der Wahrheit natürlich kein Fettnäpfchen und keine noch so absurde Wendung der extrem abwechslungsreichen Handlung in der Stadt ausgelassen wird, steht außer Frage. Alienentführungen, ein Nazi-Virus und ein Regierungskomplott via Taco Bell-Fastfood Filiale stellen dabei die wegweisende Punkte der Story dar – man findet sich also auf gewohntem Terrain wieder.
Wenn Jesus Christus also kichernd halb versteckt hinter einer Kirchenbank darauf wartet, gefunden zu werden und die örtlichen Hinterhof-Meth-Dealer die „spezielle“ Zutat für den Kaffee des örtlichen Coffee-Shop liefern, dann kann es sich eigentlich nur um eine Szene aus South Park handeln. Dank der liebevollen Umsetzung sieht Der Stab der Wahrheit auch exakt wie eine spielbare Episode der Serie aus: Von bekannten Örtlichkeiten wie dem Community-Center, City-Wok oder den Zimmern von Kyle, Stan und Kenny bis hin zum charmant persiflierten Herr der Ringe-Soundtrack, beim dem Cartman höchstpersönlich dezent im Hintergrund zu hören ist – hier stimmt die Chemie bis ins letzte Detail. Bekannte Persönlichkeit wie Al Gore treten dabei ebenso wie Nazi-Zombie-Föten, Unterhosen-Wichtel und analfixierte Aliens in Erscheinung – der absolut zwanglose, jenseits aller gesellschaftlicher Political-Correctness zum Einsatz kommende Witz wird Fans der Serie begeistern, soviel steht fest. Der weder die Serie kennt noch mit dem extrem angriffigen Humor umgehen kann, sollte sich eine Anschaffung zweimal überlegen.
In der frei zugänglichen Welt der South Park-Kleinstadt werden dem Spieler, der sich auf dem Weg zu diversen haarsträubend-abwechslungreichen Missionen aufmacht (ManBearPig Scanner aufstellen, Mr. Hankeys verlorene Kinder wiederfinden, Nonkonformist im Auftrag der Goth-Kids werden, etc), Gegner im klassischen Final Fantasy-Stil entgegen geworfen, die es in einem seperatem Kampfmodus zu besiegen gilt. Hier orientiert sich South Park: Der Stab der Wahrheit an der Gameplay-Mechanik der Mario & Luigi-RPGs: Runden-basiert werden Angriffe ausgeführt, Power-Ups bzw. magische Fähigkeiten genutzt oder die Verteidigung vorbereitet; genaues Timing muss bei Attacken und beim Blocken für deren Erfolg eingehalten werden.
Info zur zensierten Edition von South Park: Der Stab der Wahrheit
Ja, der Titel wurde für einige Regionen zensiert, neben Deutschland auch Österreich. Das bedeutet konkret, das sich einige Szenen im Spiel befinden, deren Darstellung einfach ausgeblendet wurde. In diesen insgesamt sieben Einstellungen werden zumeist kurze Minispiele absolviert, in denen es um Analsonden und dergleichen geht. Stattdessen sieht man eine schriftliche Nachricht über den genauen Inhalt, der gerade nicht gezeigt wird, mit besonders lakonischem Untertiteln, natürlich.
Unserer Meinung dazu: Wirklich halb so schlimm und kaum der Rede wert, hier handelt es sich um einige Spielminuten in einer Handlung, die mehrere Dutzend Stunden andauert. Und die Tatsache, das auch die Nazi-Katzen bzw. -Babys im späteren Spielverlauf teilweise mit Hitlergruß und Ton-Schnipsel des Diktators Angriffe ankündigen, lässt diese Zensurmethodik weiterhin im unsinnigsten Licht dastehen, die man sich nur vorstellen kann. Also egal welche Edition, hier wurde nichts Relevantes rauseditiert.
Mit einer zweiten Spielfigur aus dem Fundus der South Park-Hauptcharaktere (z.B. Butters als Paladin, Kenny als Kriegerprinzessin) lassen sich so recht abwechslungsreiche Kämpfe austragen, deren Höhepunkte oftmals die Spezialattacken darstellen: Butters verwandelt sich etwa in Professor Chaos, um kräftig auszuteilen, während Kenny ein Einhorn für einen Sturmangriff herbeirufen kann (bei schlechtem Timing kann dieser natürlich das Zeitliche segnen). Aber auch die eigene Spielfigur kann kräftig austeilen, denn im Verlauf des Spiels lassen sich diverse Super-Charaktere „beschwören“, die die Gegnerschaar zumeist mit einem Schlag eliminiert – Ein Favorit: Jesus Christus, der wie Neo aus Matrix vom Himmel herab fährt, mit einem Sturmgewehr um sich schießt, eine schwarze Sonnenbrille aufsetzt und wieder davonfliegt (verglichen mit anderen Angriffen übrigens noch MEHR als harmlos).
Eine weitere Fähigkeit stellt die dem Spieler exklusiv verfügbare Magie dar, die – wie könnte es auch anders sein – mittels Fürzen dargestellt wird: Explosiv, ferngelenkt oder steinzertrümmernd – je geschickter und präziser das Timing, desto verheerender die Auswirkung. Mittel eines entfernt an die Facebook-Oberfläche erinnernden Menüs lässt sich der Überblick über gesammelte Objekte, besuchte Lokalitäten innerhalb der Stadt und die aktuelle Ausrüstung der Spielfigur bewahren, auch ein Nachrichtenfeed mit Meldungen neu hinzugefügter Freunde findet hier seinen Platz. Letzteres hat zwar kaum informative Zwecke, spätestens wenn Al Gore zu spammen beginnt kann auch hier ein Schmunzeln kaum unterdrückt werden.
Sei es nun das teilweise verrückte Leveldesign, das abwechslungsreiche Gameplay mit überraschend tiefgehender Spielmechanik, die unzählbaren Kreuzverweise auf so ziemlich jede Folge der TV-Serie oder der simple Fakt, das sowohl auf audiovisueller als auch inhaltlicher Ebene das Spiel dem Original in nichts nachsteht: South Park: Der Stab der Wahrheit ist der wahr gewordene Traum eines jeden Fans und zugleich Lehrstück für jeden anderen Publisher, der sich bemüssigt fühlt, eine Videospielversoftung auf den Markt zu werfen.
Plattform: PS3 (Version getestet), Xbox 360, PC, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 27.03.2014, Link zu southparkstudios.com, Link zur offizellen Seite bei Ubisoft