Blutgletscher
Die Natur schlägt zurück und nimmt in ihrer Wehrhaftigkeit mitunter bizarre Formen an. Welche das sein können, zeigt Marvin Kren in seinem neuesten Film, in dem die Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Tierwelt der Alpenrepublik monströse Gestalt annehmen.
Auf einer Klimaforschungsstation in den Alpen häufen sich merkwürdige Ereignisse. Die Messinstrumente spielen verrückt und eines Tages ist ein Teil des Gletschers blutrot gefärbt. Wie sich herausstellt, sind für das ungewöhnliche Phänomen Mikroorganismen verantwortlich, die zu genetischen Mutationen der örtlichen Fauna führen – mit schrecklichen Folgen für Mensch und Tier. Der raubeinige Techniker Janek (Gerhard Liebmann) ist der einzige, der den Ernst der Lage erkennt und die Station evakuieren möchte, doch der Besuch der Ministerin Bodicek (Brigitte Kren), in deren Gefolgschaft sich auch Janeks Ex Tanja (Edita Malovcic) befindet, machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Die Menschen am Berg erleben nun hautnah die Folgen des Klimawandels und müssen gegen allerlei Monstrositäten ums nackte Überleben kämpfen.
Marvin Kren, GenreliebhaberInnen durch den Zombie-Streifen Rammbock bekannt, wagt sich mit Blutgletscher diesmal auf das, von heimischem Schuhwerk bisher noch unbetretene, Terrain des Monster-Horrors und liefert ein Creature Feature ab, das eindeutige Anleihen an großen Genreklassikern wie Das Ding aus einer anderen Welt oder Alien nimmt. Besonders weit weicht der Regisseur auch nicht vom gängigen Grundkonzept dieser Filme ab und bietet ein paar allzu sehr bemühte Archetypen wie den kauzigen Einzelgänger als Antihelden oder die skrupellosen Wissenschaftler, die ihre Forschung über das menschliche Wohl stellen. Auch eine (tragische) Liebesgeschichte muss natürlich noch Platz finden zwischen dem Kampf mit der – und für die – Menschlichkeit und gegen die Kreaturen der menschenfeindlichen Natur.
Dass Blutgletscher dennoch nicht der x-beliebige Aufguss eines Hollywoodstreifens wurde, dafür sorgt einerseits der Lokalkolorit, der ihn eindeutig in der heimischen (Film-)Landschaft verortet und andererseits die gesunde Portion Selbstironie, die den Film zwar in die Konventionen des Genres einbettet, diese Position aber gleichzeitig hinterfragt und belächelt.
Auch die unterschiedlichen Charaktere verfügen über humoristisches Potenzial, bieten aber gleichermaßen genügend Identifikations- und Projektionsfläche, um die Extremsituation, in der sie sich befinden, auch für den Zuschauer glaubhaft vermitteln zu können. Besonders überzeugend in ihren Rollen sind Brigitte Kren, die Mutter des Regisseurs, als wehrhafte Ministerin und Gerhard Liebmann als versoffen-versiffter Eremit, der seinem Berg körperlich und geistig näher ist, als seinen Mitmenschen.
Last but not least seien noch die Monster erwähnt. Sie sind nicht nur hinsichtlich ihrer Ausformung erschreckend wirkungsvoll, sondern auch dank ihres eher spärlichen Einsatzes. Kren hält sich dabei an die goldene Regel des Horrorfilms, mehr anzudeuten als zu zeigen und spielt effektiv mit den Erwartungshaltungen und Ängsten des Publikums. Da bei Blutgletscher zudem weitgehend auf CGI verzichtet wurde und die Kreaturen größtenteils als Modelle gefertigt sind, gewinnen diese zusätzlich einen plastisch-organischen Eindruck und werden dadurch greifbarer.
Grundsätzlich bietet Blutgletscher also wenig Neues, wärmt Altbewährtes aber so gekonnt auf, dass man gerne über die eine oder andere Redundanz hinweg sieht, um sich stattdessen an den dystopischen Schauerlichkeiten und menschlichen Abgründen zu ergötzen. Der Film zeigt schlussendlich eine Abweichung vom klassischen Happy End, das der konsequente Horrorfilm ohnehin nie zu geben bereit sein sollte, und hinterlässt unter Umständen einen etwas unangenehmen Beigeschmack. Andererseits kann das auch als Aufgabe des Horrorgenres gesehen werden: Unbehagen zu erzeugen, wo allzu einfache Lösungen Sicherheit bloß vortäuschen können.
Regie: Marvin Kren, Drehbuch: Benjamin Hessler, Marvin Kren, Darsteller: Gerhard Liebmann, Edita Malovcic, Brigitte Kren, Hille Beseler, Peter Knaack, Felix Römer, Laufzeit: 96 Minuten, Kinostart: 27.9.2013, www.blutgletscher.at