Crystal Castles – III
Ihre Musik könnte der Soundtrack zu modernen Teufelsbeschwörungen und Hexensabbats sein…
Düster gekleidete Figuren, die am Feuer stehen und solange die Knöpfe alter Handys malträtieren, bis die gewünschten Effekte ihr rhythmisches Gemurmel überlagern. Das kanadische Duo Crystal Castles, bestehend aus Produzent Ethan Kath und Sängerin Alice Glass, hat seinen eigenen Stil gefunden. Nur schwer passt die eigenwillige Musik in die einschlägigen Schubladen, aber sie bewegt sich zwischen experimentellen Witchhouse, Bitpop und Electronic mit Noise-Elementen. Ihr Album III, ist nicht nur das dritte, sondern auch das zugänglichste Album des Duos. Während zugänglich von vielen Musikkennern als weniger mutig oder anspruchsvoll interpretiert wird, bedeutet die Zuschreibung hier, dass ein konstantes Durchhören der Platte schon beim ersten Mal möglich ist. Und das ist ungewöhnlich für die Crystal Castles.
Auf ihrem Debüt Crystal Castles machten sie Krach, der nach einem kaputten Nintendo klang, der während Super Mario Bros. stehengeblieben war (Alice Practice, Air War). Gleichzeitig verwendeten sie Synthie-Melodien aus den 1980ern, die sie fast schon ironisch einsetzten (Good Times, Magic Spells). Die Songs werden kurz gehalten und klingen alle ziemlich unterschiedlich; wie die Essenzen von lauter guten Ideen. Die unkontrollierte Atmosphäre verloren sie zwei Jahre später mit ihrem Album II. Der besondere Fehler des Albums war die Länge. Obwohl die Lieder gut aufeinander abgestimmt waren, konnte die anfängliche Intensität nicht gewahrt werden.
Auf III ist dieser Aspekt generalüberholt worden. Der Spannungsbogen wird vom ersten bis zum letzten Lied gekonnt gehalten. Es sind wieder starke Änderungen zum Vorgänger hörbar. Der grundsätzliche Stil bleibt erhalten, aber diesmal liegt der Fokus vor allem auf Klangexperimenten in Form von Effekten, die über die eigentliche Musik und Stimme gelegt werden. Diese sind meistens hohe, an entstellte Streicher erinnernde Synthie-Klänge oder eine Art weißes Rauschen, mit dem ein gewolltes Lo-Fi-Feeling provoziert wird.
Lo-Fi ist die Produktion seit dem zweiten Album nicht mehr. Der Klang ist klar und durchdringend, die Effekte stehen dabei ganz klar im Vordergrund. Und hier könnte ein großer Fehler des Albums liegen. Gliedern könnte man die Songs in Stroboskop, Dance Orgie und Dream Pop. Der Opener passt perfekt in erstere Kategorie, mit seinen U-Boot-Tönen und den treibenden Beats. Auch Kerosene und Telepath, die zu den stärksten Songs zählen, spielen nicht nur mit den Abständen des stotternden Takts, sondern auch mit der Lautstärke der einzelnen Ebenen. So stellt sich ein Gefühl ein, als könnten jederzeit die einzelnen Klänge aussetzen und durch neue ersetzt werden.
Gesänftigt wird man durch den starken Einfluss von Dream Pop, den die Crystal Castles hier zum ersten Mal bewusst einsetzen. Besonders Wrath of God beginnt schon mit einer besänftigten Melodie bestehend aus Glockenspiel und provisorischem Walgeheul. Zuletzt lassen sich die alten Crystal Castles nicht leugnen. Aus Sad Eyes machen sie eine kompromisslose Dance Orgie, so rasant und drängend, als wäre man auf Speed und würde eine Party, die die ganze Nacht dauert als ein einziger Moment erleben.
Alles in allem ist III ein sehr gelungenes Album, mit anregenden und beruhigenden, überraschenden und gleichmütigen Songs. Es spannt einen angenehmen Bogen mit starkem Einstieg bis zum sanften Ende. Auch wenn es schwerfällt, die Songs auseinanderzuhalten – und das ist es auch nach oftmaligem Hören- gehen sie so harmonisch ineinander über, dass die Platte nicht langweilig wird. Und, ja, III ist gemäßigter als II oder das Debüt. Deswegen muss man auch die Gegenstimmen berücksichtigen, die sich an die durchgehend wilden, durchtriebenen Crystal Castles gewöhnt haben. Songs wie Violent Youth oder Pale Flesh, aus denen man mehr herausholen könnte, werden trotzdem von den stärkeren Nummern mitgetragen. Die Crystal Castles sind hörbar reifer geworden, haben aber nichts von ihrem Biss und Fünkchen Wahnsinn verloren. Nur den Nintendo haben sie doch wieder zum Laufen gebracht.
Crystal Castles – III – Polydor/Universal