Florence And The Machine – Ceremonials
„I’m attracted to the idea of drowning. Or rather the idea of jumping off and being enveloped by something, not bad or good, just enveloping. When I was a kid, I had a moment when I got unter the water, lying on the pool floor, and felt I could breathe. I’ve been trying to recreate that feeling ever since.“ So Florence Welsh, die pompöse Sängerin von Florence And The machine über die Philosophie ihres Zweitwerks, Ceremonials, das im Oktober 2011 nun auch in Österreich erschienen ist. Ein großes Erbe, das sie anzutreten hat: Die Debütplatte Lungs stellte nicht nur die britische Musikszene auf den Kopf, ganz Europa war in Euphorie. „You’ve got the love“ als wohl einer der meistgeträllerten Songs 2009 katapultierte die Band in den Himmel des Folk, der Theatralik und des ganz großen Pop.
Um auf das oben angeführte Zitat zurückzukommen: Man hat wirklich beim Hören der einzelnen Lieder den Eindruck, Florence Welsh ist genau die Art von Künstlerin, die in ihr Werk von Kopf bis Fuß eintaucht. Da gibt es nichts Gekünsteltes, nur Kunst. Ausdrucksstark, pathetisch und gleichzeitig von einer tiefen Schwere und Ungreifbarkeit gezeichnet, die die CD einen etwas anderen Weg als das Erstlingswerk einschlagen lässt. Ceremonials soll an Kathedralen, Friedhöfe, im entferntesten an den Kampf mit den eigenen Dämonen erinnern. Die Texte setzen das fort, was die Melodieführung angefangen hat: Eine teilweise düstere Stimmung epischen Ausmaßes, die das Gefühl von Finsternis jedoch an manchen Stellen einfach aufgrund der engelsgleichen Stimme Florence Welshs ablegen muss. Sie schafft es, diese Musik, die von jedem anderen eingesungen einfach nur bedrückend, gedrungen und viel zu schwermütig wirken würde in etwas zu verwandeln, was wiederum nur sie erschaffen könnte. Vergleichsbeispiele sucht man ringsherum vergebens.
Wenn sie auf dem ersten Album noch das ein – oder andere Mal fröhliche Popstimmung verbreitet hat („Dog days are over“), dann ist hier endgültig Schluss damit. Tiefgründigkeit und Epik steht im Vordergrund, am ehesten an einen Steh-auf-und-ergreif-deine-Chancen-Track erinnert dann noch das ausdrucksvolle wie liebliche Shake it out. Hier soll ähnlich wie in Seven Devils der Teufel abgeschüttelt, die Seele zum Tanzen befreit werden.
Mit diesem Album haben Florence And The Machine die Erwartungen leider nicht übertroffen, aber doch teilweise überrascht oder zumindest die Ansprüche, die mittlerweile an sie gestellt werden, erfüllt. Eingängige Melodien, die einem einerseits die Tränen in die Augen und andererseits die Frage nach dem wirklichen Sinn des Lebens in den Kopf schießen lassen, unterstreichen diese These. „Never let me go, Lover to lover oder Heartlines“ bedienen sich musikalischer Konzepte, die man von der britischen Band gewohnt ist und gleichzeitig eines Klangvolumens, das sich teilweise wirklich einer Kathedrale würdig erweist. Die alten Spielgefährten wie Chor, Harfe, Klavier und wenn, dann tüchtig eingesetzte Schlagzeuger sind auch jetzt wieder mit dabei, der erwartete Charme bleibt also – größtenteils – gewahrt.
„The music is so euphoric, as a way of battling the words. It’s like an exorcism, beating it out with drums, shake this demon out, i’ts so visceral because the melancholy has to be drummed out. I cant‘ let it sit inside me.“
Florence And The Machine haben hiermit ins Schwarze getroffen, die Melancholie auf ihrem musikalischen Höhepunkt dargestellt. Jede andere Band wäre glanz- und ruhmlos mit einem Schiff namens Ceremonials untergegangen, weil die Ausführung und Konstruktion überbordend, zu schwer, schlichtweg erdrückend gewesen wäre. Dass das Konzept dieses Albums aufgegangen ist, ist wohl zu größtem Teil der unglaublichen, voluminösen und schlichtweg einzigartigen Stimme von Florence Welsh zuzuschreiben. Der Grad zwischen eindrücklich, bewegend melancholisch und bedrückend negativ ist schmal, aber hiermit ist bewiesen worden, dass Florence und Co nicht in den Graben gestürzt sind.
+ Stimme überzeugt
+ Klangkunstwerkt
+ anregend
+ nachdenklich
+ Konzept geht auf