Captain Phillips
Was tun, wenn somalische Piraten das eigene Frachtschiff überfallen? Regisseur Paul Greengrass inszeniert in gewohnt packender Weise die reale Geschichte von Captain Richard Phillips, der sich genau in jener Lage befand.
Ein üblicher Arbeitstag im Leben von Captain Richard Phillips (Tom Hanks) sieht so aus, dass er ein gigantisches Frachtschiff sicher an seinen Zielort bringt. Diesmal führt seine Route jedoch durch gefährliches Terrain. Bald sind ihnen somalische Piraten auf den Fersen und versuchen den Containertransport zu überfallen, versprechen sie sich doch eine reiche Beute. Der Captain versucht alles in seiner Macht stehende, um das zu verhindern und findet sich bald in einer gefährlichen Situation wieder.
Paul Greengrass konnte schon mit Filmen wie Flug 93, Teil zwei und drei der Bourne-Trilogie und auch zuletzt mit Green Zone beweisen, dass er ein Händchen für mitreißende Inszenierungen hat. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen und Greengrass als simplen Actionregisseur abtun, denn er hat auch stets bewiesen, dass er seine Filme mit interessanten, vielseitigen Figuren bevölkert. Dadurch erhalten seine Werke einen zusätzlichen Reiz, da sie dank ihren glaubwürdigen Charakteren auch einen erheblichen Anteil an Dramatik mitbringen. Einmal mehr so in Captain Phillips.
Auch hier spielt der dramatische Aspekt eine erhebliche Rolle, wodurch Captain Phillips in keiner Weise ein Stirb Langsam-Actionverschnitt darstellt. Da die Geschichte auf einer realen Begebenheit basiert, konzentriert sich Greengrass verstärkt auf seine Figuren und ihm gelingt das Kunststück den persönlichen, direkten Konflikt der Protagonisten in dynamische Bilder auf die Leinwand zu bringen. Er kreiert Aufnahmen und Bewegungen, die die innere Furcht packend auf den Film überträgt. Ähnlich wie schon in Flug 93 stehen die wenigen actionreichen Momente eher im Hintergrund und sind meist schnell vorüber, bloß kurze gewaltsame Ausbrüche, die dadurch nur umso stärker wirken.
Dass Captain Phillips den Zuschauer auch emotional fesselt liegt nicht zuletzt an den grandiosen Schauspielern. Allen voran natürlich Tom Hanks, der hier eine Glanzleistung abliefert und schon lange nicht mehr so gut aufgespielt hat. Zweifellos eine der besten schauspielerischen Leistungen seiner illustren und langen Karriere. Eine große Entdeckung ist auch Barkhad Abdi, der die Rolle des Muse spielt, den Anführer der somalischen Piraten. Er liefert den kongenialen Gegenpart zu Hanks Captain Richard Phillips, mit seiner aggressiven, aber gleichzeitig verzweifelten Figur. Daraus entsteht ein spannendes Wechselspiel zweier augenscheinlich konträren, aber in gewissen Bereichen doch sehr ähnlichen Charakteren.
An manchen Stellen wurde es Captain Phillips vorgeworfen, dass man zu wenig über die Hauptfiguren erfährt, was die Bindung zu ihnen angeblich erschwert. Doch genau wie schon in All is Lost ist dies nur eine vermeintliche Schwäche des Films. Gerade diese Konzentrierung auf den gegenwärtigen Moment sorgt dafür, dass Klischees wie “Alleinerziehender Vater darf nicht sterben” oder “Tötet mich nicht, ich habe Frau und Kinder und somit größeres Anrecht auf Überleben als alleinstehende Menschen” vermieden werden. Entgegen allgemeinen Erwartungen, dass man ohne genügend Hintergrund nicht mit den Figuren mitfühlen würde, beweist Captain Phillips eindrucksvoll das Gegenteil. Durch das brillante Schauspiel und dem größeren Handlungsspielraum für das Publikum eigene Gefühle in die Charaktere hineinzulegen, wird die Spannung und Involvierung noch weiter gesteigert.
Trotzdem muss gesagt werden, dass Captain Phillips so seine Längen hat. Ein gutes Beispiel für einen Film, der länger ist, als er sein müsste, wobei die Laufzeit von etwas über zwei Stunden human ist, im Vergleich zu anderen gegenwärtigen Trends. Dennoch hätte es nicht geschadet, sich doch etwas kürzer zu halten. Selbst die grandiosen Schauspieler und die packende Inszenierung können über diese Leerstellen nicht hinweg täuschen. Abgesehen davon ist Captain Phillips ein eindrucksvolles und packendes Drama, das man sicher nicht bereuen wird gesehen zu haben.
Regie: Paul Greengrass, Drehbuch: Billy Ray, Darsteller: Tom Hanks, Barkhad Abdi, Barkhad Abdirahman, Catherine Keener, Laufzeit: 134 Minuten, Kinostart: 15.11.2013, www.captain-phillips.de