Das einfache Leben
In Das einfache Leben schildert Ernst Wiechert die Geschichte eines Mannes, der sich aus der Gesellschaft zurückzieht um so simpel wie möglich zu leben.
Der ehemalige Kapitän und Kriegsveteran Thomas von Orla liest eines Nachts einen Psalm in der Bibel. “Wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz.” Aus irgendeinem Grund, obwohl er den Spruch schon mehrmals gelesen hat, reißt er ihn diesmal komplett aus seinem Alltagstrott. Kurz darauf zieht er aus der Stadt fort und lässt den modernen Trubel hinter sich. An der Masurischen See wird er Fischer und lebt nur mehr für das Wesentliche. Er sucht den Sinn in seinem Leben in der Natur und einem einfachen, genügsamen Dasein. Was ihm auch dabei helfen soll, sein Kriegstrauma zu überwinden. Denn der erste Weltkrieg ist ihm noch stark im Gedächtnis.
Er sah an den matten Sternen, dass er nach Osten ging, und er merkte es an dem Gesicht der Stadt. Härter als in den andern Vierteln hatte der Krieg hier regiert. Die Häuser waren wie vom Aussatz zerfressen, die Fenster erblindet, die Gesichter verwüstet, und was aus den Torwegen sich auf die Straße schlich, hatte fahle Stirnen und einen leisen Schritt, wie über verlassenen Schlachtfeldern.
Ernst Wiechert war früher ein viel gelesener Schriftsteller und Das einfache Leben ein Bestseller. Der Roman wurde im Dritten Reich verboten, doch das Verbot erreichte den Verlag zu spät und so kam das Buch dennoch an die Öffentlichkeit. Aber wer nun denkt, dass es sich bei einem Roman mit so einem Titel um einfache Lektüre handelt, der irrt. Es geschieht nicht viel an Handlung, aber Wiechert schreibt sprachgewaltig über das Innenleben und die Gedanken und Gefühle seiner Figuren. Der Roman ist überaus poetisch verfasst. Aus heutiger Sicht braucht man dadurch anfangs womöglich ein bisschen an Eingewöhnung. Ist man erst einmal drinnen, dann wird man mit einer wunderschönen Sprache belohnt.
Ernst Wiechert im allgemeinen und Das einfache Leben im besonderen ist eine wunderbare literarische Wiederentdeckung. Ähnlich wie Warten auf nichts von Tom Kromer oder Planet ohne Visum von Jean Malaquais. Dabei erinnert es in vieler Hinsicht auch an Knut Hamsuns großartigen Roman Segen der Erde. Sowohl inhaltlich, als auch mit seinem eigenwilligen, poetischen Stil. Das einfache Leben darf man wohl durchaus als einen denkwürdigen Roman bezeichnen. Er wird zwar nicht jedem gefallen, aber starke Literatur schwimmt gegen den Strom.
Das einfache Leben von Ernst Wiechert, 384 Seiten, erschienen im Anaconda Verlag.