Jene Tage, die verschwinden
Lubin, Anfang Zwanzig, ist Akrobat, ein wenig ein Träumerchen und lebt einfach in den Tag hinein. Doch eben damit bekommt er nun aber ein Problem, mit den Tagen. Denn jene verschwinden buchstäblich für ihn. Immer wieder erwacht er in seinem Bett und muss feststellen, dass er einen Tag übersprungen hat. Doch scheinbar existiert er auch in den verschwundenen Tagen weiter. Zumindest sein Körper. Denn jeden zweiten Tag lebt ein zweiter, ein anderer Lubin in seinem Körper. Die beiden Lubins versuchen sich zu arrangieren, hinterlassen sich Briefe und Videobotschaften. Doch die beiden mögen einander nicht besonders und die Sache wird zunehmend verzwickter für Lubin den Ersten.
Timothè Le Boucher ist ein junger französischer Comic-Künstler. Jene Tage, die verschwinden ist seine erste Arbeit, die in deutscher Sprache erscheint. In Frankreich bereits 2017 erschienen, konnte die Graphic Novel allerlei Preise einheimsen und auch eine Verfilmung ist geplant. Das wundert nicht weiter, denn Jene Tage, die verschwinden schreit förmlich nach kinematografischer Umsetzung. Le Bouchers Stil ist stark am Manga orientiert, die Zeichnungen sind freundlich und gefällig, ohne groß Akzente zu setzen. Am Stärksten ist wohl die Farbgebung, die ebenfalls von Timothé Le Boucher vorgenommen wurde. Aber die Story … Was für ein kleines Meisterwerk!
Das Thema des geteilten Körpers ist ja nun nicht mehr ganz neu. Aber wie Le Boucher uns diese Geschichte erzählt, die unvorhersehbaren Wendungen die sie nimmt – das ist schon ganz großes Kino in Comic-Form. Hier werden große Fragen gestellt und bearbeitet und die Deutungsebene ist angenehm vielschichtig. Die Story ist tiefschürfend, herzerwärmend, hochspannend und tieftraurig in einem. Selten habe ich in letzter Zeit einen derart berührenden Comic gelesen. Von daher ist Jene Tage, die verschwinden schon jetzt ein klarer Jahresfavorit und eine große Empfehlung. Cross Cult gelingt mit dieser Veröffentlichung einmal mehr ein großer Coup. Chapeau und Dankeschön.
Jene Tage, die verschwinden von Timothé Le Boucher, 192 Seiten, erschienen bei Cross Cult.
