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Resident Evil 4

10
Survival-Horror

Nichts reiht sich besser in die Playlist des postmodernen Wärmetods als der lauwarme Auswurf der Remake-Mania des letzten Jahrzehnts. Eine Zeit in der ein Studio versucht das andere in Sachen atemberaubender Redundanz zu übertrumpfen. Wenn sich in den Chefsesseln der Kreativindustrie die totale Ideenlosigkeit breit macht, dann greift man gerne zu bewährten TV-Serien, zu Kinofilmen oder zu Videospielen und legt sie eben neu auf. Diesmal am besten ohne den exzentrischen Input der Kreativen, die schon seit dem Ursprung nur dem Gewinn im Weg standen. Nicht zuletzt stellte uns in Sachen Gaming ein absolut unnötiges Remake von The Last of Us: Part 1 vor die Frage: Wer braucht das noch?

Doch mit Videospielen hält es sich dann doch ein wenig anders, entwickeln sich nicht nur die Geschmäcker des Managements und die Aufmerksamkeitsspannen des Publikums, sondern eben auch Technologie und Designparadigmen mit rasantem Tempo. Das kann schon mal den Zugang zu älteren Spielen für ein breites Publikum erschweren. Nicht zuletzt deshalb darf sich gerade Capcom mit seiner Resident Evil-Reihe, die mittlerweile etwa 30 Titel umfasst, derzeit als Remake-König rühmen, hat man doch mit dem Remake von Resident Evil 2 vor ein paar Jahren bewiesen, dass man es wirklich versteht die Stärken eines alten Titels mit Laser-Fokus herauszuarbeiten. Doch nicht nur Fans der Reihe ahnten es bereits, da hat Capcom noch einen anderen Giganten in der Rumpelkiste: Resident Evil 4.

Man kann dazu nun stehen wie man will, kaum ein Titel hat die moderne Konsolenlandschaft so geprägt wie der pointierte Action-Kracher aus der Gamecube-Ära. Ein Vorzeigetitel in Sachen Action, Pacing, Atmosphäre und vielem mehr. Da zwingt sich unbestritten die Frage auf: Was will Capcom mit einem Remake überhaupt erreichen?

In Sachen Qualität steht der neue Release den Vorgängern jedenfalls in nichts nach. Die „RE“-Engine glänzt mit realistischen Umgebungen, die eine erdrückende Atmosphäre inszenieren und den Horror greifbar machen. Wie schon immer ist Leon, der Protagonist aus RE2, in der spanischen Pampa unterwegs und sieht sich mit einem bizarren Kult konfrontiert, der nicht nur rituelle Morde zelebriert, sondern auch allerlei ekelhafte Kreaturen auf die Menschheit loslässt. Es gilt niemand geringeren als die Tochter des US-Präsidenten zu retten, die sich auch immer wieder mal zu Leon gesellt und für absolutes Chaos auf dem Schlachtfeld sorgt.

Jetzt mag man meinen dass in einer realistischen Umsetzung der ganze schillernde Kitsch des Originals verloren gehen könnte, doch hat man sich wirklich Mühe gegeben auch den absurden Elementen, wie Napoleon-artigen Zwergen-Diktatoren und Leons Drang zu One-Linern viel Raum zu geben, sodass sich der ganze geballte Unfug in neuem Glamour erstrahlt und zur absoluten Höchstform aufkocht. Stellenweise hat man respektvoll die absurdesten Elemente etwas gezügelt und das Pacing von verschiedenen Story-Segmenten stilvoll angepasst. Am Ende fällt aber nur auf wie geschmeidig sich Sequenz an Sequenz reiht und das Ganze eigentlich niemals auch nur für einen Moment ins Stocken gerät.

 

Die aus heutiger Sicht etwas hakelige Steuerung des Originals hat wohl das größte Update erhalten: Leon kann sich nun auch beim Zielen bewegen und hat so noch mehr Freiraum, um die scheinbar nie enden wollenden Gegnerscharen mit seinem vielfältigen Arsenal zu bezwingen. Während man nämlich bei den Vorgängern noch jedes einzelne Zombie-Knie kalkuliert seziert, fallen bei Resident Evil 4 etwa 50 Gegner pro Kapitel. Blanker Horror kommt trotzdem nicht zu kurz, dafür sorgen gezielt eingesetzte Szenarios, die den Shooting-Alltag in regelmäßigen Abständen in Zügel legen.

Die Kampagne selbst ist vermutlich die längste, die es je in einem Resident Evil-Spiel gegeben hat. Umso erstaunlicher dass die 20-30 Stunden wie im Flug vergehen und man sich sehr schnell über die perfekte Wiederspielbarkeit des Titels freuen kann. Viele Anpassungen, wie eine kleine, feine Zahl an Quests, dem Kombinieren von Schätzen zur Verkaufspreis-Optimierung, New Game+ mit übergreifenden Waffen-Upgrades und dem Freispielen von diversen Buffs auf dem Waffenstand sorgen dafür, dass der Wiederspielwert hoch ist, sodass eigentlich das vollste und rundeste Paket entsteht, das je den Namen Resident Evil getragen hat.

Mit Resident Evil 4 liefert Capcom also einen Referenztitel ab: Das Spiel steht im Grunde auch aktuellen Genre-Größen wie The Last of Us dank Modernisierung in nichts nach und wird, ob Remake oder nicht, ohne Zweifel für viele Jahre das Genre prägnant bestimmen. Dem Spiel gelingt eine Balance, von der die meisten Releases dieser Tage wirklich nur träumen können: Niemals zu viel, immer genug.

Plattform: PC (Version getestet), PS5, PS4, Xbox Series X/S, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 24.03.2023, Link zur Homepage