Insel der Meerjungfrauen (c) 2022 Carlton Mellick III, Festa Verlag(2)

Insel der Meerjungfrauen

Also mal angenommen, Meerjungfrauen existieren – und sie sind ziemlicher rabiate Viecher, die sich von Menschenfleisch ernähren. Aber das Töten von Meerjungfrauen ist strengstens verboten, weil sie eine besonders schützenswerte Spezies darstellen – da muss sich die Menschheit was überlegen. Zu diesem Zwecke wurden sogenannte Futtermenschen gezüchtet, die allein der Nahrungsaufnahme der Meerjungfrauen dienen. Doch um die Insel Siren Cove verweigern die Wesen dieses Essen. Es kommt zu Angriffen auf Menschen, aber auch Meerjungfrauen werden getötet. Dazwischen: Dr. Black, der eine Lösung für das Nahrungsmittelproblem der Meerwesen finden soll.

Der Doktor hob einen alten verfaulten Fisch vom Boden des Schlachtraums und schlitzte dessen Bauch bis zur Länge einer menschlichen Vagina auf. Dann reichte er ihm den Fischer.
„Nehmen Sie den hier. Ich kann es nicht gebrauchen, dass Sie jedes Mal versuchen die Beweismittel zu vögeln, sobald ich Ihnen den Rücken zukehre.“

Insel der Meerjungfrauen ist der neueste Hirnfick von Carlton Mellick III, der im Festa Verlag in deutscher Übersetzung erscheint. So richtig neu ist die Novelle jedoch gar nicht. In den USA wurde sie bereits 2013 veröffentlicht. Wer den Autor kennt, der weiß um seine bescheuerten Plots Bescheid – und mit welcher Ernsthaftigkeit er sie (bei allem gebotenen Humor) umsetzt. Und das ist eben auch die große Stärke von Carlton Mellicks Prosa: Mit welcher Überzeugung es der Autor schafft uns in die bizarrsten und abwegigsten Welten zu entführen. Keine Idee ist ihm zu verrückt, keine Wendung zu absurd. Und er erzählt es uns, wie beiläufig, eben ganz normal.

Insel der Meerjungfrauen ist ein Hybrid aus Fantasymärchen, Wissenschaftsthriller, und mit leichten Horror-Tendenzen versehen. Eine Geschichte von Mellick III ist immer einen Blick wert, ja, ein großer Spaß. Dennoch muss man festhalten: Die beste seiner Stories ist Insel der Meerjungfrauen wohl nicht. Das liegt vielleicht an der langweiligen Hauptfigur, die den Leser nicht wirklich mitnimmt. Das sind wir sonst von Mellicks Geschichten gewöhnt – dass uns zumindest ein sympathischer Protagonist mit Identifikationspotential durch die kruden Welten führt. Dr. Black bleibt aber unnahbar und ja, leider auch ein wenig uninteressant. Für Mellick-Neueinsteiger gibt es hier sicher viel zu entdecken. Für Kenner wirkt dieses Werk mitunter etwas unfokussiert. Die knapp 200 Seiten der Erzählung gehen trotzdem runter wie Butter und das apokalyptische Finale entschädigt so manche kleine Länge davor. Ein netter Hamburger für Zwischendurch also.

Insel der Meerjungfrauen von Carlton Mellick III, 208 Seiten, erschienen im Festa Verlag.

Insel der Meerjungfrauen