Der Storyteller
Dave Grohl lässt die Hosen runter. Aber nicht ganz. Der Untertitel Geschichten über das Leben und über Musik ist wörtlich zu nehmen, denn es handelt sich bei Der Storyteller um keine gewöhnliche Biografie als vielmehr um Geschichten aus dem Leben eines Rockstars (Frauengeschichten sucht man hier vergebens), die mit Musik verknüpft sind, ihn geprägt haben und nicht immer chronologisch sind.
Der Musiker gewährt einen Streifzug durch sein Leben beginnend vom armen Schulabgänger, der immer wieder jeden Cent 3x umdrehen muss, über eine von ihm abgöttisch verehrte Mutter, die ihm jede Freiheit gewährt, um seinem Traum vom Rockstar-Dasein nachjagen zu können bis hin zu Geschichten über eine Wahrsagerin, seine Liebe zu Ufos, einen Hausgeist, jede Menge zufälliger Fügungen und legendäre Konzerte, wie MTV Unplugged mit Nirvana im Jahr 1993 und das Konzert der Foo Fighters in Göteborg im Jahr 2015, bei dem er sich das Bein bricht, was ihn jedoch nicht davon abhält die Show zu Ende zu spielen, um seine Fans nicht zu enttäuschen. Eine echte Rampensau eben!
Manchmal vergesse ich, dass ich älter geworden bin. Mein Kopf und mein Herz scheinen mir einen üblen Streich zu spielen; sie täuschen mir ein Gefühl von Jugend vor, indem sie mich die Welt täglich mit den idealistischen, schelmischen Augen eines rebellierenden Kindes betrachten lassen, das sich an den kleinen, ganz einfachen Dingen erfreut.
Der Traum vom Musiker schwirrt schon früh im Kopf von Dave Grohl herum und das, obwohl er nie Instrumentalunterricht hatte. Er bringt sich das Schlagzeugspiel auf unkonventionelle Weise selbst bei und später schließlich andere Instrumente. Jede freie Sekunde übt er Schlagzeug, selbst in der Schule kann er nicht damit aufhören und übt Drums mit seinen Zähnen, in dem er den Kiefer vor und zurück oder auf und ab bewegt und mit dem Mund den Klang des Schlagzeugs simuliert ohne Hände zu benutzen – wie er es später auch bei Kurt Cobain sehen sollte.
Nachdem er in ein paar Schulbands Schlagzeug spielt, wird er im Alter von 17 Jahren Schlagzeuger bei der Band Scream, wofür er nach anfänglichen Zweifeln alles auf eine Karte setzt und schließlich die Schule schmeißt. Nach dessen Auflösung folgt der Beitritt zu Nirvana und der Rest ist wie man so schön sagt, Geschichte. Hier nimmt das Buch das erste Mal richtig Fahrt auf, als Dave Grohl Einblick in den Schaffensprozess der Grunge-Band gibt, dessen Ende leider viel zu früh kam. Doch Dave Grohl gibt nicht auf und gründet die nicht weniger legendäre Band Foo Fighters.
Man kann das plötzliche Ableben eines Menschen nicht vorhersagen, aber es gibt einfach bestimmte Leute, auf deren Verlust man sich doch irgendwie vorbereitet. Wie ein Idiot versucht man, Präventivmaßnahmen zu treffen und sein Herz mit einer Mauer zu umgeben, damit man halbwegs vorbereitet ist, wenn der Anruf dann tatsächlich kommt. Fast als sei man dadurch emotional geimpft und hätte gegenüber dem unvermeidlichen Ende dieser Person eine Art Immunität entwickelt. Nur dass das nie klappt.
Der Storyteller liefert ein sympathisches Bild von einem Mann, der die Familie über alles stellt, sich manches von der Seele schreibt, seine Fans nicht enttäuschen möchte und seinen Kindern anhand einer Joan Jett Barbie ein wenig über Feminismus erklärt. Jede Menge coole Begegnungen und unvergessliche Momente machen Der Storyteller einfach lesenswert, auch wenn Dave Grohl manchmal mit Ausdrücken um sich schmeißt, die nur Schlagzeuger oder Schlagzeug-Interessierte verstehen.
Der Storyteller – Geschichten über das Leben und über Musik von Dave Grohl, 464 Seiten, erschienen im Ullstein Verlag.