Welcome to Chechnya
Wenn die Gesichter der Protagonisten des dringlichsten Films der Berlinale Sektionen wie von Weichzeichner übertüncht aussehen, ist das keine kosmetische Spielerei.
David France erschreckende Reportage braucht den Special Effect zum Schutz der Opfer der tschetschenischen Pogrome gegen queere Menschen. Militärregent Ramzan Kadyrov, der 2017 öffentlich erklärt, es gäbe im Land keine Homosexuellen, hat keinerlei Skrupel, diese Behauptung wahr zu machen. Ausgehend von Masha Gessens New Yorker Artikel, enthüllt France mit journalistischer Expertise das Grauen staatlicher Verfolgung und deren internationaler Tolerierung.
Manche wie Maxim, der als erster Überlebender von Folter und Internierung an die Öffentlichkeit tritt, fliehen mit ihren bedrohten Familien. Andere, wie Anya, die dank Unterstützung einer Moskauer LGBTQ+-Hilfsorganisation aus der abgelegenen Region entkommt, fliehen vor ihren Familien. „Ehrenmorde“ werden allgemein unterstützt. Kaum erträgliche Handy-Videos garantieren, dass die Zuschauerschaft die blutige Realität systematischer Verfolgung registriert. Internationales Interesse scheint die einzige Hoffnung der Gewaltflüchtlinge, deren ausweglose Lage ein NGO-Mitarbeiter benennt: „Wenn sie dich nicht töten, bist du ein Gewinner.“
Regie und Drehbuch: David France, Filmlänge: 107 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2020