David Bowie – Blackstar
Ohne Gitarre. Auch ohne Hüftschwung, ohne Augenzwinkern und ohne Ohrwurm. David Bowie präsentiert seinen neuesten Streich, metaphorisch schön vorbelastet Blackstar genannt, am Tag seines Geburtstags.
Der gefallene Popprinz, lieber eigentlich Chamäleon im Business, wird nämlich am heutigen Releaseday 69 Jahre alt. Es war explizites Ziel dieses neuen, diffus-genialen Albums, den Rock’n’Roll zu umgehen. Das sagt nicht Bowie, das sagt sein Stellvertreter in allen irdischen Dingen, Produzent Tony Visconti. Dieser steht ihm seit 1969 an der Seite und übernimmt die unangenehmen Dinge. Mit den Journalisten plaudern. Ihnen erklären, um was es geht. Was ist das, ein Blackstar? Bowie drückt sich gekonnt. Er lässt einmal mehr die Kunst sprechen.
Kein Ziggy Stardust, auch kein Aladdin Sane. Diesmal: Lazarus. So ist auch die schaurige zweite Single benannt, zu der eben noch das dementsprechend gruselige Video erschienen ist. „I’ve got scars that can’t be seen“. Zwischen Himmel und Hölle bewegt sich Bowie – springt aber nicht mehr ganz so vital, er geht eher, schleppenden Schrittes. So auch die zuckenden Bewegungen zum Song, der so ganz und gar nicht eingängig sein will. Eingängigkeit overall? Sucht man auf Blackstar vergebens. Es ist ein konzeptionell gearbeitet experimentelles Album geworden. Was aber gut mit dem Genre zusammengeht, mit dem sich Bowie seit einer besonderen Begegnung intensiv auseinandergesetzt hat: dem Jazz.
Im noch frühen Jahr 2014 hat Bowie ein Konzert des Saxophonisten Donny McCaslin besucht, war angetan. Ein paar Tage später der Vorschlag zur Zusammenarbeit. Resultat: die Single Sue (Or In A Season Of Crime). Zwar schon auf Nothing Has Changed erschienen, nun noch einmal glattpoliert auf der neuen LP, die auf überschaubare sieben Songs reduziert wurde. Bowie reizt die Grenzen dieser aber aus. Die titelgebende Single, zu der man vielleicht noch am ehesten unter der Dusche singen könnte, misst 9,57 Minuten. iTunes klatscht in die Hände, wenn sich sogar der Großmeister beugt: Da dürfen die Stücke nämlich nur bis zu zehn Minuten lang dauern. Ka-Ching.
Vom Jazz das Saxophon geborgt, das er selbst einst zu spielen gelernt hat. In den 80ern zum Hipster-Instrument abgestuft, von Bowie immer gefeiert, ist es auch der einzige Schatten, der durch alle Songs huscht. Wie gesagt, die Gitarre ist Stieftochter. Bowies Jazz ist nicht funky, ist nicht groovy, plätschert nicht. Er ist ausschweifend, brüchig, ja, unangenehm. Herausfordernd. Er hilft ihm die Popmelodien zu umschiffen, klassische Songstrukturen auf der Seite liegen zu lassen. Refrain? Bridge? Gelächter.
Immer wieder zurück zu Lazarus, um den alles hier kreist. Titelgebend auch für ein Stück am New York Theatre Workshop, das Bowie mitverfasst hat. Im Mittelpunkt steht Alien Thomas Jerome Newton, der im Film The Man Who Fell to Earth aus dem Jahr 1976 damals von Bowie selbst verkörpert wurde. Ein, laut Kritikern, hervorragend kritisch-verwirrendes Stück. Passend zum kritisch-verwirrenden Album, könnte man gleich anfügen.
Look up here, I’m in heaven. Die erste Zeile der Single. Ja, das macht schon kurz schmunzeln. Bandagiert und sichtlich gealtert ändert Bowie dann im Laufe des Videos seine Meinung. „Look up here man, I’m in danger. I’ve got nothing left to loose“. Das ist schon eher glaubhaft. Verrückt, dieser Blackstar. Nicht das Verrückteste, was man hätte erwarten können, aber allemal verrückt genug. David Bowie macht sich zum Geburtstag selbst das schönste Geschenk. Und bestätigt seine nach wie vor unumgängliche Relevanz im Popzirkus.
David Bowie – Blackstar, Sony Music, davidbowie.com