The Look of Silence
Durchdringende Stille und Traurigkeit: Joshua Oppenheimer widmet sich in The Look of Silence erneut dem grausamen Genozid in Indonesien, zeigt aber nun den Blickwinkel der Opfer.
Parallel zu den verstörenden Porträts der Täter von The Act of Killing, in denen er die brutalen Massenmorde und Folterungen nach dem indonesischen Militärputsch von 1965 erzählte, hat Oppenheimer eine Dokumentation über die Opfer der Massaker gedreht. Während er im ersten Werk noch die Täter sprechen ließ, zeigt er im Nachfolger The Look of Silence die schweigsamen Opfer. Im Zentrum steht dabei der Optiker Adi, der die Mörder seines Bruders aufsucht und sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Dabei wird einmal mehr schonungslos offen gelegt, wie selbstverständlich über die bestialischen Taten gesprochen wird.
Anders als bei The Act of Killing setzt Oppenheimer dieses Mal nicht auf die skurrilen Erzählungen und Zurschaustellung der einstigen Mörder, sondern wählt den Weg einer persönlichen, emotionalen Rahmenhandlung. Statt Oppenheimer schlüpft nun Adi, dessen Bruder Ramli 1965 verschleppt, gepeinigt und schließlich zerstückelt wurde, in die Rolle des Interviewers und schafft es mit sachlicher Fragestellung der Dokumentation eine Aura von Ruhe und Spannung einzuverleiben.
Oppenheimer gelingt es, einige von Ramlis Peinigern vor die Kamera zu bringen – und diese erzählen ohne Scheu, Skrupel und Mitgefühl über die brutalen Ermordungen. Eine der prägnantesten Szenen ist hier jene direkt am Ufer eines Flusses, an dem viele der von der Armee unbarmherzig gejagten Kommunisten – wie auch Adis Bruder – ihr Leben lassen mussten. Zwei direkt verantwortliche Mitglieder dieser Exekutionskommandos demonstrieren dort anschaulich spezielle Tötungsmethoden, die unverhüllt und mit viel Liebe zum Detail nacherzählt und veranschaulicht werden. Auch Verweise auf den „Genuss“ vom Blut der Opfer, das getrunken wurde, um bei den Taten nicht wahnsinnig zu werden, verstören zutiefst.
The Look of Silence ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen: Die einstigen Mörder werden von Adi mit Sehtests bzw. in weiterer Folge mit Brillen versorgt. So scheinen sie kurz hilflos (und blind ihrem eigenen Handeln gegenüber), doch wenn sie anfangen von ihrer Vergangenheit zu erzählen, wendet sich das Blatt und entstehen intensive, angespannte Situationen, die Oppenheimer mit langen Einstellungen und Nahaufnahmen einmal mehr gekonnt einzufangen weiß.
Wer erschütternde Bilder und verblüffende Einstellungen wie bei The Act of Killing erwartet, der dürfte bei The Look of Silence wohl etwas enttäuscht zurück bleiben. Zwar gibt es Szenen, in denen die moralische abgestumpfte Geisteshaltung der Täter aufgezeigt wird, Oppenheimer setzt aber auf eine deutlich gedämpftere, persönlichere Erzählweise und wagt darüber hinaus auch Momente völliger Stille. Ohne den beklemmenden Humor von The Act of Killing löst die Dokumentation des US-amerikanischen Filmemachers dieses Mal zwar weniger Unbehagen aus, an Intensivität verliert die Erzählung dabei aber nicht.
Joshua Oppenheimer gelingt es mit The Look of Silence abermals, ein erschreckendes Dokument über Terror, unglaublichen Gewalttaten und deren Verleugnung seitens der Täter auf die Leinwand zu bringen, welches zugleich sensibel als auch schlicht atemberaubend ist und den Zuseher dabei mit dem sprachlos Blick des Protagonisten zurücklässt.
Regie: Joshua Oppenheimer, Laufzeit: 118 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’15, http://thelookofsilence.com