Borgman
Der Niederländer Alex van Warmerdam (Abel, Grimm, Die Noorderlinger) ist bekannt für seine unkonventionellen Erzählungen. Dies scheint auch den Organisatoren des /slash Filmfestivals aufgefallen zu sein, und so haben sie sein neuestes Drama Borgman in ihre Programmauswahl aufgenommen.
Schon in den ersten Minuten wird uns der im Titel verewigte Borgman (Jan Bijvoet) auf enigmatische Weise vorgestellt. Zuerst versteckt in einem Erdloch im Wald muss er sofort vor aufgebrachten Menschen fliehen, die ihm wohl Gewalt antun wollen. Ungeniert tritt er gleich darauf in das Leben einer gut situierten Familie, wobei ihm vor allem die Mutter Marina (Hadewych Minis) besonders gewogen scheint. Borgman scheint jedoch eine Art perfiden Plan zu verfolgen und seine Anwesenheit verwandelt das Leben der Familie in einen Albtraum.
Kaum eine Frage wird dem Zuschauer beantwortet, und derer wird er wahrscheinlich viele haben. Zuerst wie ein Landstreicher wirkend scheint der titelgebende Mann systematisch ein Ziel zu verfolgen. Worum es sich dabei tatsächlich handelt und was seine Motive sind wird jedoch nicht enthüllt. So bleibt jede Entwicklung unvorhersehbar und der Kinobesucher an seinen Sitz gefesselt.
Zuerst will man dem mysteriösen Mann keine böse Absicht andichten, jedoch wird das von mal zu mal schwerer. Ebenso möchte man vielleicht Sympathie für die Familie aufbringen, jedoch präsentiert sich weder der aggressive Familienvater (Jeroen Perceval) noch die hysterische Mutter wirklich als Identifikationsfläche für den Betrachter. Wie ordnet man die Geschichte auf der Leinwand ein? Ist es mehr Home-Invasion oder eine märchenhafte Erzählung, in der Borgman erscheint wenn eine Familie zu reich und arrogant geworden ist?
Van Warmerdams Drama lebt von diesen Spannungsverhältnissen – nichts ist schwarz oder weiß, und lässt sich einfach in eine Schublade stecken. So vermittelt er leichte Verwirrung, die aber auch faszinieren kann und den Kinobesucher wahrscheinlich näher an die Gefühle der Kinofamilie bringt als frontale Präsentation von deren Leiden.
Alle beteiligten Schauspieler füllen ihre Rollen glaubwürdig aus, wobei Hadewych Minis als die immer verstörter werdende Mutter besonders überzeugen kann. Auch Jan Bijvoet ist interessant anzusehen, wie er mit Leichtigkeit von unbedarft und sympathisch auf ernst und geheimnisvoll umschaltet. Es lenkt auch keine unkonventionelle Kameraführung oder Schnitttechnik von den Darbietungen ab – im Vergleich zu Handlung und Charakteren wirken die Bilder eher konventionell und ohne Pathos gedreht. Das Ende bietet jedoch auch keine finalen Antworten. Manch einen Zuschauer mag dies in Rage versetzen – wer jedoch gerne selbst die Lücken in der Handlung gedanklich füllt wird in diesem Film ein Goldstück wiederfinden.
Regie und Drehbuch: Alex van Warmerdam, Darsteller: Jan Bijvoet, Hadewych Minis, Jeroen Perceval, Alex van Warmerdam, Tom Dewispelaere, Filmlänge: 113 Minuten, gezeigt im Rahmen des /slash Filmfestival 2014