Anand Wilder – Break Line
Mit einem elektrischen, beinahe schon obszön quietschenden Piano wird man in das erste Soloprojekt von Yeasayer-Gitarrist und Multiinstrumentalist Anand Wilder hinein gestoßen.
Wobei das Wort „Projekt“ hier auch wirklich als solches zu verstehen ist: Nicht mit einem klassisch eingespieltem, über mehrere Monate hinweg aufgenommenen Album hat man es hier zu tun, sondern mit der Attitüde, einer Rockoper, wie sie in den 70er Jahren on top war, gerecht zu werden. Richtig gehört, opera.
Seit nunmehr einem Jahrzehnt bröselt das gemeinsame Projekt vom schon erwähnten Anand Wilder und Komponist sowie Pianist Maxwell Kardon dahin, ohne dass sie sich strenge Vorgaben gesetzt hätten. Angefangen hat alles, wie so oft, beim gemeinsamen Gitarre und Banjo zupfen – als sich dann die Idee entwickelt hat, einen fiktiven Ort anzunehmen, an dem man ein Drama im Arbeitermilieu (Minenarbeit, vorzugsweise) rund um Liebe, Hass, Betrug und auch alle anderen großen Themen der Menschheitsgeschichte inszenieren könnte. So hoch gegriffen dieses Vorhaben klingt, so strotzend vor Energie und unterschiedlichen Zugängen liegt nun auch diese nach vorbildliche CD im Plattenspieler.
Coal into Diamonds, der Opener mit dem raunzenden Klavier, zielt gleich einmal ab in Richtung Arbeitermilieu gemischt mit großem Drama. Das gleich anschließende dient dann regelrecht zur Besänftigung der aufgeschaukelten Gemütsstimmung – everybody’s dancing. Das Stück kommt auch anfangs wieder nur mit Gitarre aus, mit mehreren Stimmlagen zwar, aber sonst schlicht und einfach arrangiert. Ein erster Höhepunkt präsentiert sich dann aber an der dritten Stelle: beinahe donnernd kommt Opportunity daher, nachdem es leise vom Klavier eingeleitet wird. Zornig geht es zu, die monitäre Situation steht im Vordergrund („we both know, money don’t grow on trees“) – bevor sich alles wandelt. Wie Wilder sich wandelt von grumpelnder Anklage (musikalisch sowie textbezogen) zu christlichem Sarkasmus und lieblichem Gospelchor ist bemerkenswert. Schöner haben wir einen Gospelchor schon länger nicht empfunden.
Als dann Haley Dekle von den Dirty Projectors dem fein-schönen Hold you tight ihre Stimme leiht, ist man spätestens an diesem Punkt sicher, dass dieses Projekt nicht nur versucht, beinahe alle musikalisch-instrumentalen Möglichkeiten unter einen Hut zu bringen, sondern das auch mit einiger wackelnder Eleganz zustande gebracht hat. Folk meets Synthie, Ballade meets Stromgitarre. Und selten hat man sich dadurch weniger aus der Bahn geworfen gefühlt. Bei They’re stealing our coal muss man schlagartig an die früheren Alben von John Frusciante denken, wo 4th of July sich wieder ganz und gar dem Folklore-Genre verschreibt und mutig sein freches Banjo statt irgendjemandes Gesang sprechen lässt. Dem folgt dann bei Better to die ein schwermütiger Trauermarsch, bevor uns ganz zu Schluss Hang your head high wieder vom Boden aufpflücken soll.
So zerrissen dieses Potpourri an mancher Stelle vielleicht wirken könnte, ist es doch durch die ungebündelte Energie des Projekts an sich zusammengehalten und stellt sich als das vor, was es ist: eine Aneinanderreihung guter Stücke, die in sich selbst wie auch gemeinsam ein gelungenes Kunstwerk genossen werden sollten.
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