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100 DVDs in 100 Wochen: Wilde Erdbeeren

Der heutige Filmtitel für 100 Filme in 100 Wochen ist aus dem Jahr 1957 und trägt den mysteriösen Titel Wilde Erdbeeren. Sowohl für das Drehbuch als auch für die Regie zeichnet Ingmar Bergman verantwortlich.

Steven Spielberg sagte einst über Ingmar Bergman: „Ich habe ihn immer bewundert und wünschte ich wäre ein ebenso guter Filmemacher wie er“ – so steht es zumindest auf der Rückseite der DVD. Ich freue mich auf einen richtig altmodischen Schwarz-Weiß-Film und lege also die DVD voller Vorfreude ein. Die nächsten 87 Minuten bin ich mit mir selbst im Zwiespalt. Einerseits ist Wilde Erdbeeren ein ruhig komponierter und eigentlich auch guter Film, andererseits wiederum so altmodisch, dass vor allem die Dialoge für meine heutigen Ohren, sagen wir, sehr „gespreizt“ klingen.

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Schon die erste Szene ist dezent bedrückend. Der 78-jährige Bakteriologe Isak Borg (Victor Sjöström) sieht sich in einem Traum mit seinem Tod konfrontiert. Er wandelt durch die Straßen und sieht eine Kutsche mit seinem Sarg – und das alles auch noch in Schwarz-Weiß. Ich finde der Tod an und für sich ist schon ein eher unangenehmes Thema, aber das Ganze auch noch in Schwarz-Weiß, ich muss sagen, das hat schon etwas besonders Deprimierendes. Obwohl, andererseits, so eine Beerdigung in dieser Art kann auch ganz schön stilvoll sein. Okay, sollte ich mal a Bankl reißen, dann vielleicht genauso – kommt natürlich immer darauf an wie, aber Schwarz-Weiß schmeichelt ja eher als bunt – also in Sachen Falten und so zumindest.

Jedenfalls wacht Isak am nächsten Morgen auf und begibt sich auf die Reise nach Lund, zum 50. Jahrestag seiner Promotion soll er dort nämlich geehrt werden. Seine Schwiegertochter Marianne (Ingrid Thulin) begleitet ihn auf seinem Weg dorthin. Obwohl sie ihn anfangs nicht besonders mag, kommen sich die beiden durch die gemeinsame Fahrt etwas näher und lernen sich besser kennen. Schon zu Beginn der Reise weist Isak darauf hin, dass er Zigarettenrauch nicht besonders mag und bittet Marianne daher in seiner Gegenwart nicht zu rauchen. Zigarren sind ohnehin besser und besonders männlich, so Isak. Auf die Frage, welche Laster er Frauen denn zugesteht, gibt er eine verblüffende Antwort: Weinen, Kinder kriegen und über die Nachbarn herziehen. Ein Traum für jede Feministin und Gender-Hysterikerin (ja, das Wortspiel mit Hysterie war bewusst gewählt), vor allem in Zeiten, wo der Streit um das Binnen-I ja am eskalieren ist. Vielleicht sollte ich den Film mal irgendwo öffentlich zeigen … aber egal, zurück zu Wilde Erdbeeren.

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Bei einer Rückblende sieht man die ganze Familie von Isak in der Sommerresidenz (zehn Kinder, na danke!). Und dann gibt es auch noch Zwillingsmädls die, ohne Schmäh, alles, also ALLES, gleichzeitig aussprechen. In einer Lautstärke übrigens, die selbst die beste Supernanny zu einer Kinderschlägerin machen würde. Abgesehen davon, dass das sowieso unmöglich ist, dass Zwillinge so gleich sind, ist es ein absoluter Albtraum. Aber okay, bis auf diese zwei Nervensägen, ist die gesamte Familie sehr gesittet. Herr Elmayer hätte seine größte Freude an solch einer illustren und zugleich höflichen Familie. Überhaupt, der ganze Film ist eine Aneinanderreihung an beispielhaftem gutem Benehmen: Selbst Streitereien werden mit dermaßen viel Stil ausgetragen, dass ich mich eigentlich gar nicht „Streit“ dazu sagen traue.

Mittlerweile hat es einen kleinen Autounfall gegeben, und wer war Schuld, eh klar, eine Frau. Zwei Autos fahren aufeinander zu und weichen im letzten Moment einander aus. Erschrocken steigen beide Gruppen aus und versichern sich, ob eh alles okay ist. Ganz cool ist vor allem der Mann des einen Autos: „Die Schuld liegt bei uns – meine Frau ist gefahren.“ Ja, da habe ich kurz auflachen müssen, ich gebe es zu. Und das Beste: Natürlich verwundert das keinen der Beteiligten. Ich meine, in den 50ern waren Frauen halt doch noch die kleinen Heimchen am Herd oder so, anders kann ich mir das alles nicht erklären.

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Als Isak zusammen mit Marianne endlich in Lund angekommen ist, kommt es ziemlich schnell zur Feierlichkeit, die aber nicht besonders spektakulär ausfällt. Und dann ist Wilde Erdbeeren auch schon aus. Also echt, mehr gibt es da jetzt auch gar nicht zu erzählen, daher schließe ich einfach gleich mit meiner Empfehlung an: Wer nicht in den Genuss eines Benimm-Kurses gekommen ist, kann sich sein hartverdientes Geld sparen (ein paar Bier oder so, sind hier wohl gut investiert) und sich Wilde Erdbeeren anschauen. Ich garantiere dafür, wenn man aufmerksam zuschaut, hat man danach pipifeine Manieren. Ich schwöre.

Nächstes Mal geht es weiter mit Lost Highway.




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