Vampire Weekend – Modern Vampires of the City
Über die vier-köpfige Bandformation aus New York berichtete das Rolling Stone Magazine bereits im April 2012. Es hieße, dass für die dritte Langspielplatte mehr Zeit als erwartet in Anspruch genommen werden müsse…
Unter solchen Voraussetzungen an den Start für eine dritte Runde zu gehen, ist für den einen oder anderen Musiker doch etwas gewagt, da Erwartungshaltungen von Fans und Kritikern dadurch vorbelastet sind, wenn die Frage aufkommt, welche Qualitäten ein Album solcher Art besitzen könnte. Die Oktober 2012 als The New Song No.2 bezeichnete Vorab-Single Unbelievers sorgt auch bereits gleich zu Beginn vor der Veröffentlichung des Albums für ein Gefühl, dass sich die Wartezeit auf das Album gelohnt haben könnte. Dicht gefolgt von der eigentlichen Single Diane Young, die das Tempo mit dem erwarteten typischen Vampire Weekend-Sound noch ein Level nach oben befördert. Alles in Allem scheint also die Langspielplatte Modern Vampires of the City viel zu versprechen. Doch hält man die ganze Geschichte erstmal in Händen und die ersten vier Tracks schallen aus den Lautsprechern treten sogleich erste Zweifel auf den Plan.
Nach dem fulminanten Start, der zuerst im Indie-Rock mit ihrem Debüt Vampire Weekend begann und zwei Jahre darauf mit Contra weitere Kreise innerhalb der breiteren Musiklandschaft zog, kann eine Formation wie Vampire Weekend schon einmal ins Grübeln kommen. Insbesondere wenn etliche Stilmittel aus Pop, Indie, Jungle, Beat, usw. zusammenfließen und es darauf ankommt alles in ein geschnürtes Paket zu befördern. Da kann es entweder dazu führen, dass das Gericht mit seinen Zutaten frisch und würzig bleibt, oder aber auch der Fall eintreten, dass daraus ein dickflüssiger Brei wird, den man so lange in den Händen formt, bis nichts mehr von der Spezialität übrig ist. Bei Vampire Weekend scheint es leider so, als wäre der zweite Fall eingetreten. Die Gitarrenklänge, die zu ihren Anfangszeiten für Spritzigkeit und einen Hauch von punkartigem Chaos gesorgt haben, sind verstummt und der Jungle-Beat hat bereits die Oberhand gewonnen. Gepaart mit einem vorhersehbaren Synthie-Sound ergibt das dann doch eine Beliebigkeit, die unerwartet kommt. Die Tracks Unbelievers und Diane Young machen sich auf den hiesigen Indie-Dancefloors zwar bemerkbar, allerdings verstummen dafür die restlichen 8 Tracks der Platte. Bei weiterem Hören zünden zumindest einige kleine Funken und die Langspielplatte entpuppt sich stellenweise als Sicker-Album, das etwas mehr Zeit benötigt um die interessanten Momente herauszuhören.
Letztendlich ist es aber leider doch die Single Diane Young, die erhaben über allen anderen Tracks trohnt und auf das restliche, magere, 32-Minuten Album herabsieht. Mit einem passenden Video zur Single wird das Bildnis des letzten Abendmahls aus der Verankerung gerissen. Da ist plötzlich alles dabei, was von sich aus behauptet Hip zu sein. Inklusive flüchtiger Andeutungen von Kaffeesucht und brenndenden Saxophonen, die als Rauchutensile für diverse Gräser dienen, um krampfhaft einen Hauch von Modern-art darin verstecken zu können. Dieses ebenfalls kurz auflackernde Kunstverständnis schafft es leider auch nicht auf das Album, um den restlichen Titeln darauf Gesellschaft zu leisten. Die zwei letzten, als Re-Mix gestalteten Tracks Ya Hey und das damit doppelt vertetene Unbelievers retten die ganze Geschichte dann auch nicht mehr.
Es scheint als würde es Vampire Weekend in einer Welt des sterbenden Indies ähnlich ergehen wie vielen Genrekollegen. Der magische dritte Tonträger, der offen darlegt ob eine Band eine von der Szene hervorgebrachte Eintagsfliege ist, oder ob danach doch noch Substanzvolleres zu hören ist, stellte bereits einigen Indie-Bands das Bein. Bei Vampire Weekend heißt es allerdings nicht ganz Lebewohl! Auch wenn sie dem Indie-Genre den Rücken kehren, sind die anderen Sub-Genres noch durchaus vorhanden. So finden sich aufgrund des popigen Beats doch einige Momente auf dem Album, die gute Laune verbreiten.
Frontman Ezra Koenig bezeichnete Modern Vampires of the City zwar als „düsterer und lebhafter“ als die Vorgänger, doch ist von diesen Elementen im Endeffekt nur begrenzt etwas hörbar geworden. Ein weiteres Problem, was das neue Album mit sich trägt. Besonders bei den Tracks Hanna Hunt oder Finger Back drängt sich ein forderndes Gefühl nach Ernsthaftigkeit auf. Denn gerade ein höherer Anteil von düsteren Elementen würde die Musik auf ein Level herabsenken, auf dem sich die teilweise nachdenklichen, skurillen und zwischenmenschlichen Texte auch entfalten können. Diese werden stattdessen von einfallslosen Synthie-Sounds, Jungle-Beats und Stimmen-Verzerrern überlagert. Bei einer komikhaften, musikalischen Herangehensweise innerhalb des Textes etwas Kritisches verankern zu wollen, ist zwar durchaus ein interessanter Ansatz, jedoch schafft es das Album leider kaum, Momente bereit zu stellen, in denen der Kontrapunkt aufzugehen scheint. Das Ergebnis ist ein Album, das zwei bis drei Singles bereit hält, aber darüber hinaus nur wenig bis gar kein zündendes Material mit sich bringt.
Vampire Weekend . Modern Vampires of the City, XL / Beggars / Indigo, www.vampireweekend.com