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Animal Crossing: New Leaf

Der tägliche 3DS-Konsum ist in letzter Zeit zum anspruchsvollen Pflichttermin mutiert: Wie jeden Tag habe ich die letzten 10 Minuten damit verbracht, in der virtuellen Nachbarschaft Käfer und Steine zu aufzusammeln, welche ich nun in der verzweifelten Hoffnung auf Reichtum zum lokalen Trödler trage.

Das Wasser steht mir nämlich bis zum Hals: Ich sitze auf einem unermesslichen Schuldenberg, den mir Tom Nook der heimtückische Kredithai von nebenan eloquent aufgeschwatzt hat. Fressen und gefressen werden, mein 3DS konfrontiert mich dieser Tage mit einer harten Realität.

Animal Crossing hat sich zurückgemeldet, der seit jeher erfolgreiche Sims-Verschnitt mit Nintendo-Charme. Animal Crossing: New Leaf ist kein Spiel, in das man klassisch ein paar Stunden investiert, um es irgendwann zu den Akten zu legen. Vielmehr ist es ein ständiger Begleiter, der darauf ausgelegt ist zwischendurch für Ablenkung zu sorgen – mal eben in der U-Bahn, beim Warten, oder nochmal vorm Schlafengehen. Man trägt stets eine kleine Welt mit sich umher und genau hier liegt der Reiz, den die Reihe ausübt und der sich wohl auf einer herkömmlichen Konsole nur schwer reproduzieren lässt.

Ich bin in eine zufällig generierte Stadt gezogen, die ich recht passend „Höllenloch“ getauft habe und habe mir dort ein Eigenheim aufgestellt. Ich bin ratlos was ich dort mit meinem Leben anfangen soll (wie in der richtigen Welt, eine gelungene Simulation). Neben dem täglichen Sammeln von Krimskrams in der Hoffnung auf mehr Geld lerne ich meine Nachbarn näher kennen, doch anders als in der Realität sind das keine illustren Gestalten die man nur trifft, während die Polizei im Stiegenhaus gerade ihr Türschloss aufschneidet – hier sind es geschwätzige Zeitgenossen, die sich nicht zu schade sind auf meine Bürgerpflicht zu pochen und mich mit allen möglichen sinnlosen Aufgaben quer durch die Stadt zu treiben. Obst hätte er gerne, ein T-Shirt hat er verloren, ein Möbelstück traut er sich nicht selber zurückzugeben… Ich lasse mich auf das  Gequängel aber gerne ein, denn als Belohnung gibt es Gegenstände wie geschmackloses Mobiliar für mein Haus oder neue rosa Kleidung. Damit fange ich zwar nichts an, aber das Haben von Dingen ist nun einmal unwiderstehlich.

Zum Bürgermeister hat man mich diesmal berufen, ein Fehler. Schon nach kurzer Zeit habe ich den müßigen Tagesrhythmus meiner untertänigen Gefolgschaft satt. Spät abends, wenn ich mich mein rastloses Pflichbewusstsein dazu antreibt das Büro aufzusuchen liegen meine Nachbarn längst in ihren Betten, die hiesigen Geschäfte sind geschlossen, ein unerträglicher Zustand. Mit sofortiger Wirkung erlasse ich eine Verfügung, die dafür sorgt, dass sich der Tagesrhythmus der Einwohner gefälligst in die Nacht hinein verschiebt. Anschließend sorge ich dafür, dass die öffentlichen Spendengelder dafür verwendet werden um mir eine Brücke vor die Haustür zu bauen, die mir den täglichen Fußweg zur Einkaufsstraße erleichtern soll. Eine gute Gelegenheit mit der Aussicht auf lauten Verkehr die geschwätzige Häsin aus der Nachbarschaft wegzuekeln. Sie hat es gewagt ihr Domizil direkt neben meinem abgelegenen Anwesen zu errichten (von dem aus ich früher ungestört aus der Ferne das mondäne Treiben meiner Untertanen beobachten konnte). Solche Leute brauchen wir hier nicht!

Was sich nicht abstreiten lässt ist das das ganze Spiel ein unbestreitbarer Deja Vu-Effekt begleitet: Die Animal Crossing Reihe ist mittlerweile beinahe als konservative Sequel-Maschine zu sehen und wer schon allzu oft seine Zeit damit verbracht hat, täglich nach neuen Fossilien zu graben und Früchte aufzusammeln, den werden die alltäglichen Aufgaben nicht wirklich mit Überraschungen überzeugen. Verblüffend also, wie gut sich das Konzept trotzdem in die mobile 3DS-Umgebung einfügt. Tatsächlich ist Animal Crossing praktisch der ideale Begleiter auf dem System und nutzt dessen Features in vollem Umfang aus. Mit Playcoins werden Lose gekauft, per Streetpass werden Hauskreationen ausgetauscht und per Spotpass schickt Nintendo regelmäßig neue Häuser zur Inspektion. Wer seine Errungenschaften gerne dokumentiert, der kann Ingame-Screenshots machen und per Swapnote verschicken. Für den Kenner machen sich darüber hinaus auch jede Menge Optimierungen bemerkbar, die lästige Vorgänge von früher erleichtern.

Es gibt immer irgendwas zu erleben – ein Konzert hier, ein Geburtstagsfest da. Das Spiel ist behutsam dabei, den Spieler über lange Zeit mit neuen Entdeckungen bei Laune zu halten. Sehr gelungen ist auch endlich mal der Online-Modus. Die eigene Stadt baut im Laufe der Zeit mit eigenen Textur- oder Melodie-Designs eine ganz individuelle Identität auf und entsprechend unterhaltsam ist es dadurch die Städte von Freunden aufzusuchen. Andere Bewohner, andere Shopping-Artikel, andere Früchte – da gibt es bei jedem Besuch irgendetwas neues und wen das nicht interessiert, der unternimmt zusammen mit Freunden einen gemeinsamen Besuch auf eine tropische Insel, auf der man zusammen Minispiele bestreiten kann. Durch das hinzufügen zur Freundesliste kann man anschließend jederzeit live miteinander chatten.

Animal Crossing: New Leaf ist eine gelungene Bereicherung für die 3DS-Bibliothek. Für ein Sequel wird schon sehr viel Recycling betrieben, wer also bereits vom Konzept ein wenig ermüdet ist, der sollte vielleicht noch abwarten, bis sich der Animal Crossing Verschnitt Fantasy Life von Level 5 zum offiziellen EU-Release anmeldet. Für sich alleine gesehen ist Animal Crossing allerdings ein absoluter Pflichttitel, der in der 3DS-Umgebung ein perfektes zu Hause findet. Das ideale Casual-Game, ohne unerträgliches Geschäftsmodell – wer nach einem Erlebnis sucht das für lange Zeit in kurzen Schüben Unterhaltung bietet, greift bedenkenlos zu. Ich für meinen Teil habe noch viel Arbeit vor mir. Man hat mir kürzlich zugetragen, dass man mich hinter meinem Rücken als geldgierig bezeichnet – ein Zustand den ich so nicht stehen lassen kann. Ich werde also hart daran arbeiten müssen, herauszufinden, wer sich für dieses Geschwätz verantwortlich zeichnet, bevor ich diese Elemente aus meiner idyllischen Siedlung entfernen lassen kann.

Plattform: 3DS (Version getestet), Spieler: 1-4 (online), Altersfreigabe (PEGI): 3, Release: 14.06.2013, Link zur Homepage




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