Trains of Thoughts © 2012 Thimfilm

Trains of Thoughts

8
Doku

Wien, New York, Los Angeles, Tokio, Hongkong oder Moskau, ob sie U-Bahn, Subway, Chikatetsu, MTR oder Metro genannt wird – keine Metropole ohne Metro. Timo Novotny hat sie mit Trains of Thoughts in Bilder, die Sofa Surfers haben sie in Sound gepackt…

Der Regisseur, Künstler, Mitbegründer und Visualist der österreichischen Band Sofa Surfers macht in seinem Film-Essay die U-Bahn zum Medium und erzählt vom Leben in sechs Weltstädten. Jede Stadt hat ihre eigene Erzählform. In New York sind es Monologe, Stimmen aus dem Off. In L.A. werden Dialoge geführt. In Tokio folgt die Kamera einem Erzähler, in Moskau einer Reisegruppe.

Geografisch und inhaltlich bewegt sich Novotny von Wien ausgehend in einem Zirkelschluss westwärts, vom Kapitalismus zum Kommunismus. Der Kapitalismus umschließt die Welt. Interessant ist die Funktion von Wien, das regelmäßig zwischen die anderen Erzählungen geschnitten ist. Hier steht nicht die U-Bahn mit Fahrgästen im Mittelpunkt, sondern das unterirdische Netz aus Schächten und Gängen, das von einem Fotografen erkundet wird. Wien reiht sich nicht ein, es steht zwischen Ost und West, zwischen Kapitalismus und Kommunismus.

Die erste Station ist New York, die letzte Moskau, dazwischen liegt ein Weg voller Assoziationen, Reflexionen und Geschichten, die manchmal rührend sind, ein andermal tief betroffen machen. Die Gedankengänge sind geprägt von einer melancholischen Grundstimmung, die ihren Höhepunkt in Tokio erreicht. Der dumpfe Verdacht erhärtet sich: Die U-Bahn ist nicht Sinnbild für etwas Verbindendes, sondern etwas Trennendes. Immer schwingen auch Vereinzelung, Isolation, Einsamkeit und die soziale Entwertung des Subjekts in der Masse mit. Der Untergrund ist metaphorisch zu verstehen.

Trains of Thoughts ist eine visuell und akustisch faszinierende Reise durch sechs Weltstädte. Es ist bemerkenswert und spannend, wie sich Bildkompositionen, Stimmen und Klang zu Porträts von unterschiedlichen Gesellschaften zusammenfügen. Trotz der fließenden Dynamik, die vom Rhythmus der Sofa Surfers lebt, gelingen Novotny manche Einstellungen wie Momentaufnahmen. Das betrifft weniger die Fokussierungen auf Details. Vielmehr sind es Perspektiven auf Räume oder Menschen, die sich unter dem Wechsel von Bewegung und Stillstand, dem Spiel von Licht, Schatten und Farbtönen entfalten. Die besten Momente sind jene, wo das soeben Gesagte noch im Bild nachhallt und die Schnitte mit Hilfe des Sounds ein gewissermaßen sphärisches Echo erzeugen. Ab und zu drängt sich jedoch der Gedanke auf, dass eine Stadt noch andere Gesichter hat. Aber wir sehen ja U-Bahn-Gesichter, wie es eine New Yorkerin eingangs ausdrückt.

Regie: Timo Novotny, Musik: Sofa Surfers, Laufzeit: 84 Minuten, Kinostart: 7.12.2012




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