This-War-of-Mine-©-2014-11bit-Studios-(11)

This War of Mine

9
Survival-Horror

Zwei Jahre Entwicklungsdauer, aber die Produktionskosten trotz Leak binnen zwei Tagen nach der Veröffentlichung wieder eingespielt: Ein Erfolg, der sich sehen lassen kann. Die Rede ist von der Survival-Sim This War of Mine

Schmerz, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und der Kampf ums nackte Überleben inmitten von Kriegsschauplätzen: Nicht die angenehmsten Grundvoraussetzungen für die Konzeption eines Videospiel, dennoch zeigen ab und an einige überraschend hochqualitative Titel (wie etwa das in diesem Jahr erschienene Valiant Hearts: The Great War oder auch etwas mehr auf Spektakel ausgerichtet The Last of Us bzw. das unterschätze Spec Ops: The Line) den richtigen Umgang mit schwierigen Themen. In This War of Mine des polnischen Entwicklerstudios 11 bit Studios (bekannt für die sehr stimmige Anomaly-Reihe) wird dem Spieler mit Hinblick auf die Belagerung der Stadt Sarajevo in den 90er Jahren eine düstere Simulation unterbreitet, deren Stimmung ihresgleichen sucht. Erfrischenderweise steht hier nicht ein waffenstrotzender Supersoldat, sondern eine kleine Truppe desolater Zivilisten im Zentrum des Geschehens.

Ohne großartige Einleitung übernimmt der Spieler die Kontrolle und sorgt sich dem The Sims-Prinzip folgend um das Wohlergehen seiner Charaktere inmitten einer ausgebombten und von Plünderern überrannten Stadt. Ein mehrstöckiges Gebäude dient als Unterschlupf und Basis gleichermaßen, mit mühsam gesammelten Ressourcen werden hier etwa Betten gebaut, ein notdürftiger Herd oder Regenwasserkollektoren aufgestellt. Ressourcenmanagment nimmt dabei oberste Priorität ein: Nutzt man etwa Bretter zum Ausbessern der Fassade, um Plünderer und die aufkommenden Kälte abzuhalten, fehlt mancherorts das Material für das Einheizen des wärmespendenden Ofens. Nahrung, Baumaterial, Medizin: Es mangelt ständig an allem, der Einsatz will daher sehr gut überlegt sein. Zwar ist es möglich, mit aufgestellten Fallen Ungeziefer für den Verzehr zu fangen, Pflanzen für Medikation bzw. Zigaretten aufzuziehen oder sauberes Wasser zu filtern, jede Nacht muss bzw. sollte für die Suche nach zusätzlich lebensnotwendigen Materialien genutzt werden.

So ist das Gameplay grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilt: Tagsüber Aufbau-Simulation in den eigenen vier Wänden, Nachts Stealth-Einsätze in zerbombten Schulen, Kirchen, Hotels und Supermärkten. Den Spielfiguren werden zuvor spezielle Aufgaben zugeteilt, die den Umständen entsprechend an den Befindlichkeiten dieser angepasst werden sollten. So müsste ein sehr müder oder verletzter Charakter die Nacht idealerweise durchschlafen, zumindest ein Anderer Wache halten und nur ein satter, motivierter und mit einem großen Rucksack Ausgestatteter für die Außenmission beauftragt werden. Im Auswahlbildschirm lässt sich ablesen, welche Art von Ressource oder mit welchem Widerstand bei den einzelnen Örtlichkeiten vorzufinden respektive zu rechnen ist, entsprechend muss auch hier geplant werden: Eine Figur kann so etwa nur knapp ein Dutzend Gegenstände tragen, eine Waffe zur Selbstverteidigung und Dietriche zum Schlösser knacken nehmen da gleich mal zwei der vorhandenen Slots weg – bleibt hier genug Platz für die dringend benötigte Nahrung oder Baumaterial, um die Werkbank aufzubessern?

Beim nächtlichen Einsatz steht neben der Suche nach Ressourcen auch die Auseinandersetzung mit teils friedlichen, jedoch zumeist feindlichen Überlebenden oder dem Militär im Vordergrund. Es steht die Option offen, vorsichtig von Raum zu Raum zu schleichen, durch Schlüssellöcher zu spähen, sich in dunklen Ecken zu verstecken – oder, sofern es die Ausrüstung und das eigene Verlangen zulässt, offene Konfrontationen mit Stich-, Hieb- und Schusswaffen in Kauf zu nehmen. Das der Waffengebrauch gut überlegt sein soll, nicht nur aufgrund nachfolgender moralischer Konsequenzen bei der Spielfigur und der gesamten Truppe, versteht sich von selbst. Mit dem Ende der Nachtmission bricht auch ein neuer Tag an, in dem abermals das gleiche Spiel von neuem beginnt: Überleben, aber zu welchem Preis?

Optisch vermag This War of Mine das Geschehen der Handlung stilsicher einzufangen: Düstere, bedrohliche und klaustrophobische Settings werden mit dezentem Schraffur-Effekt, gedämpfter Farbpalette sowie sehr detailreich in Szene gesetzt, auch die feinen Animationen der Figuren untermalen durch leichte Gesten die Atmosphäre zusätzlich, wenn auch mit kleinen, aber verzeihbaren Mängeln bei der Kollisionsabfrage während Handgreiflichkeiten oder  Schusswechseln.

So ist The War of Mine ein außerordentlich gelungenes, aber vor allem düsteres Werk – und das in jeder Hinsicht: Leben und Tod abseits glorifizierter Waffengewalt wird hier überdeutlich simuliert, ohne allzu belehrend oder moralisierend zu wirken. Es obliegt dem Spieler, welchen Weg er gehen will, ob er für das Wohl seiner Gruppe bereit ist, Grenzen in Extremsituationen zu überschreiten. Gung Ho-Shooter-Fans ohne Bedarf an komplexen Entscheidungsmöglichkeiten oder der Furcht vor zweckmäßiger Monotonie dürften mit der Thematik sowie der Umsetzung wenig anfangen können, alle anderen sollten unbedingt einen Blick auf diese großartige Indie-Perle werfen.

Plattform: PC (Steam, Version getestet), Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 14.11.2014, Link zur Homepage




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