Das Geständnis
Mit dem erstmals auf Deutsch veröffentlichten Roman Das Geständnis nimmt uns der Septime Verlag mit auf eine Zeitreise ins Japan der 1920er. Der vorliegende Text wurde erstmals 1928 veröffentlicht. Jun’ichirō Tanizaki zählt in seinem Heimatland zu den großen Literaten, seine Rezeption im Westen lässt allerdings zu wünschen übrig.
Mizuno ist Autor von Kriminalromanen. Er bezeichnet sich selbst als Satanist, was vielmehr eine philosophische Rechtfertigung für seine Gaunereien ist. Zwischen manischem Schreibprozess und Exzessen im Nachtleben Tokios, ist sich Mizuno für nichts zu schade. Leute zu täuschen und sie um ihr Geld betrügen, gehört zu seinem Alltag. Auch seine schriftstellerischen Praktiken scheinen fragwürdig. Die Opfer seiner Geschichten sind Leuten nachempfunden die er persönlich kennt, natürlich mit abgeänderten Namen. Doch dann geschieht das Unvorstellbare: In seiner letzten Veröffentlichung rutscht ihm versehentlich der „echte Name“ einer Figur heraus. Mizuno ahnt Schreckliches. Wenige Tage später stirbt der Mann der als Vorlage herhalten musste…
Es läuft also auf folgendes Hinaus: Auf der einen Seite gibt es die Geschichte Bis hin zum Mord, und auf der anderen die völlig parallel verlaufende, zumindest äußerlich, also was Zeit, Ort und Person angeht, Realität mit dem Titel Jemand wurde ermordet. Sie sind der Autor der Geschichte und ihre Realität verläuft parallel zu jener des Protagonisten. Für sie gibt es keinen Weg das zu leugnen.
Das Geständnis ist ein sowohl spannender als auch intelligenter Roman. Das Verbrechen selbst und dessen Aufklärung sind dabei eher Rahmenbedingungen als Fokus der Geschichte. Vordergründlich handelt es sich um eine Charakterstudie des von Wahnvorstellungen geplagten Narzissten Mizuno. Tanizaki nimmt den Leser mit in die Innenwelt des Protagonisten und zeigt dabei wie seine Sorgen und Ängste immer mehr überhand gewinnen, bis er sich plötzlich in einer selbstgespinnten Verschwörung wiederfindet. Geschickt überträgt der Autor dabei die zerrissenen Gedanken Mizunos auf die Lesenden, sodass man selbst nicht mehr weiß, was man glauben soll. Dadurch, dass Mizunos Geschichte, also „der Text im Text“, so sehr in die Haupthandlung verwoben ist, nimmt Tanizaki auch den Post-Strukturalismus vorweg. Alles ist Text. Mizunos Geschichte hat sich in der Realität manifestiert, er kann dem eigenen Geschriebenen nicht entkommen.
Weiters beeindruckt der Roman durch einen geschickten Realismus, der an das Frankreich des 19. Jahrhunderts erinnert. Detailreiche Beschreibungen von beispielsweise getragenen Kleidern, Einrichtungsgegenständen aber auch ökonomischen Prozessen, lassen die Lesenden zwischendurch kurz aufatmen und vermitteln ein authentisch wirkendes Bild der japanischen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts.
Das Geständnis ist also eine literarische Darstellung von schizotypischem Verhalten, eingewoben in eine spannende Krimigeschichte. Sucht man nach einem europäischen Referenzpunkt kommt mir als erstes Der Doppelgänger von Dostojewski in den Kopf. Hier handelt es sich definitiv um einen Text mit literarischen Mehrwert.
Das Geständnis von Jun’ichirō Tanizaki, 264 Seiten, erschienen im Septime Verlag.