Bianca (c) 2023 Guido Crepax, Avant Verlag(2)

Bianca

Guido Crepax (1933-2003) war ein italienischer Comic- und Graphikkünstler, dessen Schaffen einen enormen Einfluss auf die Erwachsenencomics der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte. Seine Comics, die wilde Sex- aber insbesondere Fetischfantasien zelebrieren, machten ihn international bekannt und gefragt. Seine berühmteste Schöpfung ist Valentina, eine Journalistin, die wilde Abenteuer real und in Traumwelten erlebt. Ihr widmete der Avant Verlag bereits drei Bände. Nun folgt die Gesamtausgabe der (zumindest im Geiste) kleinen Schwester von ValentinaBianca. Eine weniger bekannte Schöpfung von Meister Crepax – deren wieder- oder Neuentdeckung sich aber unbedingt lohnt!

Bianca umfasst die drei Episoden, die Crepax für diese Figur erschaffen hat. Die erste Geschichte Das Tollhaus ist bei weitem die längste. Auf knapp 120 Seiten rollt Crepax die ganze Palette seiner halluzinatorischen BDSM-Fantastereien aus. Die Erzählung, ein Traum im Traum des Traumes, folgt keiner erzählerischen Kohärenz. Und ist dennoch packend erzählt, vor allem natürlich visuell. Crepax‘ schwarzweiß Zeichnungen sind stark geprägt von Pop-Art und generell der 1960er Kultur. Eine Augenweide und ein Denkmal jener Zeit, als der Comic erwachsen wurde. Ganze drei Jahre arbeitete Guido Crepax an dieser ersten Geschichte.

Mit Odessa, 1905 wird das Garn weitergesponnen in einem – der Titel erzählt es uns schon – neuen Setting. Dieser „Traum“ ist ein wenig (für Bianca-Verhältnisse) stringenter und erzählt beinahe schon eine „richtige“ Geschichte. Die Fantasien werden noch ein bisschen finsterer und abgründiger, als Mord und Intrige in den Mittelpunkt rücken. Man könnte sagen, ein Giallo in Comic-Form und in historischem Setting.

Die kürzeste und finale Episode Das Mädcheninternat holt uns in die Realität zurück – und lässt alles noch mal in einem ganz anderen Licht erscheinen. Sie bildet den dramaturgischen Unterbau aller drei Geschichten und verleiht dem bizarren Treiben abschließend noch ein wenig Glaubwürdigkeit und Tiefe.

Bianca ist ein kurzweiliger und aufregender Band Popkulturgeschichte. Dass man sich in Zeiten von Genderdiskursen mit der Einordnung dieser ambivalenten Geschichten schwer tut, bestätigt nur ihre Wichtigkeit und Aufrichtigkeit. Wer den besonderen Kick sucht, möge die Lektüre von Bianca in die öffentlichen Verkehrsmitteln verlegen. PS: Pressplay haftet nicht für etwaige Ordnungstrafen.

Bianca von Guido Crepax, 224 Seiten, erschienen im Avant Verlag.

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