Facetten der Zukunft (c) 2022 Stefan Cernohuby (Hrsg.), Verlag ohneohren(2)

Facetten der Zukunft

Facetten der Zukunft ist, wie der Untertitel schon treffend sagt, Science-Fiction made in Austria. Die Anthologie versammelt 13 Kurzgeschichten von heimischen Autoren, die mal düster und dystopisch sind und mal voller Hoffnung und positiven Perspektiven. So unterschiedlich wie die Autoren fallen auch die Geschichten selbst aus. Die einzige Gemeinsamkeit ist das Genre und das hochwertige Können der Autoren.

Der letzte Wiener von Werner Skibar (auch bekannt als Charly Blood) bildet gleich einen herrlich schrägen und skurrilen Auftakt. Die Geschichte besticht durch ein hohes Tempo und eine humorvolle Originalität. Das Highlight ist definitiv Sisi als Actionheldin. Faye Hell schlägt mit Anekdote zur Nivellierung der Arbeitsmoral in eine überaus experimentelle Richtung ein. Sprachlich ist das ganz hohes Niveau und sie arbeitet viel mit Wiederholungen. Doch das wirft den Leser perfekt in die Haut der Hauptfigur. Sicher ist das etwas gewöhnungsbedürftig, aber hat man sich dran gewöhnt, lässt einem ihre Story nicht mehr los.

Sie war immer noch keine Schönheit, aber zumindest war von der Akne, die seit fünfzehn Jahren ihre Spuren auf ihren Wangen und der Stirn hinterließ, nur noch eine leichte Rötung zu sehen.

Träumen KIs von analoger Liebe? klingt wie ein Titel von Philip K. Dick und ist vielleicht auch inhaltlich eine Anspielung auf seine Werke, aber Jacqueline Mayerhofer macht daraus ihre ganz eigene Geschichte über eine KI, die sich verliebt (oder nur so tut?). Gleichzeitig hinterfragt sie jedoch das Gewaltpotenzial von uns Menschen. Zukunftsinvestition von Caroline Hofstätter ist eine zutiefst unangenehme Story. Nicht, weil sie schlecht ist, sondern weil die Beziehung ihrer Protagonistin zu ihrem Mann enorm schmerzhaft ist. Überhaupt sind ihre Figuren sehr komplex und daraus ergibt sich ein unterschwellig grausamer und subtiler Horror.

Crisper Cracker von Michael Marcus Thurner ist eine spannende Geschichte, die eine sehr originelle Welt entwirft. Vor allem auch wegen der Sprache und den Ausdrücken und Maschinen, die in dieser Welt vorkommen. Beängstigend dystopisch, aber doch unglaublich greif- und nachvollziehbar. Rufe den Donner von Herausgeber Stefan Cernohuby fängt wie eine relativ unaufgeregte Story über einen eingefrorenen Menschen, der in der Zukunft erwacht, an. Von Anfang an gibt es jedoch einen unterschwelligen Schrecken, der hier lauert, den der Autor jedoch gekonnt humorvoll auf den Kopf stellt.

Farm 49 von Jana Paradigi beginnt wie eine klassische Postapokalypse. Menschen haben den Mars besiedelt, weil die Erde hoffnungslos zerstört ist. Ein Routineauftrag geht natürlich schief. Doch was diese Geschichte am Ende so beeindruckend macht und auszeichnet … nun, das darf an dieser Stelle leider nicht verraten werden, das muss man selbst lesen. Roman Schleifers 60 Minuten ist eine der erfrischendsten Variationen über tödliche Gameshows seit langem. Hier wird nämlich nicht mit Waffen, sondern mit Worten getötet. Das erlaubt dem Autor innerhalb eines spannenden Settings auch tief in das Innere seiner Figuren einzutauchen.

“Im Gegenteil. Wir sind etwas Altes. Nur Geister eines Gestern das sie schon fast vergessen haben.”

Dein Paradies von Nora Bendzko ist ein durchwegs spannender Zukunftsentwurf über ein Schwarmwesen. Man darf jedoch nicht zu viel vorweg nehmen, denn ihre Story ist enorm originell aufgebaut und sollte am besten so unbedarft wie möglich erlebt werden. Der versierte Thriller-Autor Andreas Gruber zeigt auch in seiner Geschichte Stars & Stripes, dass er ein Meister der Spannung ist. Sehr erfrischend (und definitiv mal was komplett anderes) ist seine Idee über den Zusammenhang von Astrologie und Diktatoren, die dem sich langsam entfaltenden Szenario eine sogar leicht humorvolle Note verleiht. Gelungen ist auch, wie äußere Umstände einen Menschen zu etwas eigentlich komplett ungewolltem treiben können.

Wenn es so etwas wie zu originell gibt, dann trifft das vielleicht auf Mia Fabers Der Vermicelli-Nebel zu. Die Geschichte ist sprachlich enorm stark, doch inhaltlich ist sie irgendwie ein großes Rätsel. Umso beeindruckender, die Story bleibt dennoch bis zum Ende spannend. Futurum exactum von Leo Lukas ist ein sehr interessanter Anfang für eine Zeitreisegeschichte. Aber leider eben nur das: ein Anfang. Und das ist tatsächlich etwas ärgerlich, weil die Geschichte sonst sehr gelungen ist und man gerne mehr lesen würde. Auch bei Chrysalis von Melanie Vogltanz lässt sich eine Handlung nur erahnen. Doch dafür besticht sie mit einer stilistischen Stärke, die fast etwas lyrisches an sich hat und schon alleine deshalb einfach nur lesenswert ist.

Alles in allem ist Facetten der Zukunft eine überaus gelungene Sci-Fi Anthologie. Sie zeigt nicht nur, wie viele spannende und originelle Autoren in Österreich in diesem Genre schreiben, sondern auch allgemein die umfangreichen Möglichkeiten der Sci-Fi.

Facetten der Zukunft von Stefan Cernohuby (Herausgeber), Geschichten von Werner Skibar, Faye Hell, Jacqueline Mayerhofer, Caroline Hofstätter, Michael Marcus Thurner, Stefan Cernohuby, Jana Paradigi, Roman Schleifer, Nora Bendzko, Andreas Gruber, Mia Faber, Leo Lukas, Melanie Vogltanz, 300 Seiten, erschienen im Verlag ohneohren.

Facetten der Zukunft