Der Schattenriss (c) 2022 Laura Purcell, Festa Verlag(2)

Der Schattenriss

Mitte des 19. Jahrhunderts in England: Agnes Darken ist eine Scherenschnitt-Künstlerin. Eine aussterbende Kunst, da die Fotografie immer mehr ins Zentrum der Gesellschaft rückt. Agnes muss also ums wirtschaftliche Überleben kämpfen. Dass dann gleich mehrere Menschen umkommen, die zuletzt ihre Dienste in Anspruch nahmen, wirkt sich zusätzlich negativ aus. Agnes muss in dieser Angelegenheit aktiv werden, deshalb sucht sie Hilfe bei den medial begabten Schwestern Myrtle und Pearl …

Einem Leichenwagen zu begegnen bringt Unglück. Instinktiv sucht Agnes‘ Hand nach einem Knopf, um ihm zum Schutz festzuhalten, aber dies ist nicht ihr Kleid und sie kann keinen finden.

Der Schattenriss ist der neueste viktorianische Thriller von Laura Purcell, den der Festa Verlag in deutscher Übersetzung präsentiert. Nach Die stillen Gefährten und Das Korsett ist Der Schattenriss das dritte Buch, das der Verlag mit farbigem Buchschnitt in seiner Must-Read-Reihe unterbringt. Im Gegensatz zu den Vorgängern ist die übernatürliche Seite des Geschehens in Der Schattenriss deutlich sparsamer eingesetzt. Eigentlich handelt es sich um einen astreinen historischen Krimi. Und nochmal genauer betrachtet – wenn die Geschichte im Hier und Jetzt angesiedelt wäre, hätten wir es mit einem Thriller der Marke Gillian Flynn (Gone Girl) zu tun. Heißt, hier gibt es jede Menge Abgründe und doppelte Böden.

Das Gute an der Trauer ist, dass sie alle anderen Empfindungen dämpft, selbst die Wut. Agnes stellt fest, dass sie ihre Mutter immer wieder belügen kann ohne die leisesten Gewissensbisse zu haben. Wenn sie es oft genug wiederholt, könnte sie es vielleicht sogar selbst glauben.

Laura Purcell verfügt über ein unleugbares erzählerisches Talent. Ihre Geschichte ist fein durchdacht, gesponnen und erzählt. Ist man jedoch nicht völlig neu in dem Genre als Leser*in, wird man von so mancher Wendung – wenn man sie nicht bereits erahnt hat –  dann zumindest nicht sprachlos vor Überraschung sein. Dennoch führt Purcell einen sanft bei der Hand durch ihre Story – um einem unvermittelt brutal den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Denn bei aller Feingeistigkeit – Mitleid kennt Laura Purcell mit ihren Protagonistinnen nicht. Der Schattenriss mag nicht Purcells bestes Werk bis dato sein – diese Ehre dürfte weiterhin dem Korsett gebühren – aber es ist eine schaurig-schöne Lektüre für kalte Herbst-Nachmittage zu Hause auf dem Sofa, die niveauvoll unterhält.

Der Schattenriss von Laura Purcell, 447 Seiten, erschien im Festa Verlag.

Der Schattenriss




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