Die weiße Göttin der Kannibalen

Liebe Freunde des abgründigen Films, herzlich willkommen zurück zu einer neuen Runde Wonne aus der Tonne! Und heute wird es mal wieder richtig abartig hier. Doch wo sonst, als in dieser wundervollen Filmkolumne darf man sich trauen, so tief in den Abgrund zu blicken? Eben! Also Vorhang auf für Die weiße Göttin der Kannibalen.

Das Expeditionsteam des Wissenschaftlers Henry Stevenson geht irgendwo im Dschungel von Papua Neu-Guinea verloren. Sämtliche Suchaktionen laufen ins Leere. Helen (Ursula Andress), die Gattin des Wissenschaftlers, will die Hoffnung aber nicht aufgeben und organisiert einen privaten Suchtrupp durch den Dschungel. Diesem gehört neben ihrem nervigen Bruder Arthur auch der Landesexperte Dr. Foster (Stacy Keach) an. Die Aktion wird zum puren Überlebenskampf, als das kleine Team auf einen kannibalistischen Stamm inmitten des Urwalds trifft.

Die weiße Göttin der Kannibalen ist ein Abenteuer-Exploitation-Mix von Sergio Martino aus dem Jahre 1978. Das Genre des Kannibalen-Films war in Italien gerade noch im Entstehen und wurde wenig später mit den Filmen Cannibal Holocaust (1980, Regie: Ruggero Deodato) und Cannibal Ferox (1981, Regi: Umberto Lenzi) zu einem fragwürdigen Höhepunkt gebracht. Dem Kannibalenfilm haftet ganz allgemein ein unangenehmer Mief an. Zum einen gab es immer wieder den Vorwurf des Rassismus, über den man zumindest diskutieren darf und soll. Und zum anderen fallen diese Filme auch immer wieder mal wegen ihrer unangenehmen und völlig inakzeptablen Tiertötungen auf – wegen denen sich mancher Regisseur später auch vor Gericht verantworten musste. Von diesem Scheiß ist leider auch Die weiße Göttin der Kannibalen nicht ganz frei.

Die weiße Göttin der Kannibalen

Abgesehen davon ist Martinos Film nämlich durchaus eine spaßige Angelegenheit. Er ist flott inszeniert, spannend und atmosphärisch. Obendrauf gibt es ein paar beeindruckende Landschafts- und Naturaufnahmen. Gedreht wurde in Malaysien und Sri Lanka. Durch seinen abenteuerlichen Charakter rückt der Film fast näher an John Boormans Klassiker Deliverence (Beim Sterben ist jeder der Erste, USA 1972), als an die Splatter-Orgien späterer Kannibalenfilme à la Deodato. Im letzten Drittel geht es jedoch auch hier ganz schön zur Sache. Besonders bizarr ist eine Sequenz, in der zuerst die Masturbationsszene einer jungen Kannibalin gezeigt wird, welche die feine Grenze zur Pornografie mittels eines sichtbar eingeführten Fingers überschreitet – um dann einen Kannibalen zu zeigen der ein Schwein fickt. Äh, ja … Das sind Bilder, die wirst du nicht mehr los. Manche Sachen kann man einfach nicht ungesehen machen.

Der Film blieb Sergio Martinos einziger Ausflug in die Welt der Kannibalen. Der Regisseur wollte sich nie auf ein bestimmtes Genre festlegen. Letztlich sind es aber vor allem seine Gialli (z.B Der Killer von Wien oder Alle Farben der Nacht), die ihm einen hervorragenden Ruf einbrachten. Der exotischen Location blieb er noch ein paar Mal treu. Etwa mit dem strunzdummen guilty-pleasure-Movie Der Fluss der Mörderkrokodile oder dem von H.G. Wells inspirierten Film Die Insel der neuen Monster. Vor der Kamera gibt es bei der Weißen Göttin zunächst natürlich das erste Bond-Girl aller Zeiten – Ursula Andress, die hier mal wieder vor allem viel undressed ist, aber auch sonst eine ganz nette Figur macht. Lange Zeit gehört die Leinwand jedoch dem Amerikaner Stacy Keach, der hier ein paar Jahre vor Mike Hammer einen äußerst charmanten Helden abgibt. Ob die beiden wussten, dass sie in einem Film mitspielen, in dem auch ein Schwein sodomisiert wird, ist hingegen nicht kolportiert.

In Deutschland ist der Film bundesweit beschlagnahmt worden. Hierzulande kann man ihn im einschlägigen Fachhandel auftreiben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Diese Grütze ist natürlich nur für Menschen mit geisteskranken Neigungen und ganz, ganz schlechtem Geschmack. Also genau das Richtige für uns hier in der Tonne! In diesem Sinne: Prost Mahlzeit, bis zum nächsten Mal und bleibt seltsam!

Die weiße Göttin der Kannibalen

OT: La montagna del dio cannibale, Italien, 1978, Regie: Sergio Martino, Drehbuch: Cesare Frugoni, Sergio Martino, Mit: Ursula Andress, Stacy Keach, Claudio Cassinelli, u.a.

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