Unter-Brüdern-(c)-1977-John-Fante,-2019-Maro-Verlag(2)

Unter Brüdern

In Unter Brüdern erzählt John Fante einmal mehr von seiner Familie und insbesondere von dem problematischen Verhältnis zu seinem Vater auf gewohnt humorvolle aber auch melancholische Weise.

Der erfolgreiche Autor Henry Molise bekommt eines Tages einen aufgeregten Anruf seines jüngeren Bruders, dass sich die betagten Eltern scheiden lassen wollen. Um das zu verhindern, reist Henry in seinen Heimatort San Elmo, Colorado und sieht sich schnell in den, bereits aus seiner Kindheit gewohnten Wahnsinn des familiären Haushalts verstrickt. Sein Vater Nicholas ist ein guter Trinker und schlechter Glücksspieler, der auf seine alten Tage noch mehr Tyrann und Despot ist, als früher. Die streng katholische Mutter, von ständiger Eifersucht und Schwächeanfällen geplagt, herrscht derweil über das Haus und die Sünden ihres Mannes. Nicholas möchte noch ein letztes Mal etwas bauen, eine Räucherkammer in den Bergen, und Henry lässt sich dazu breitschlagen, dem alten Mann zu helfen, so sehr es ihm auch widerstrebt. Hierbei muss der Sohn erkennen, dass seinem Vater die Kraft des Lebens verloren gegangen ist.

Ein trauriges Geschäft, wie sich die Falten auf dem Gesicht zu unauslöschlichen Furchen entwickelten. Ich hasste den Kummer in seinem Gesicht. Ich mochte ihn lieber, wenn er arrogant war, selbstsüchtig und grob, durch und durch ein Bastard.

Unter Brüdern lässt sich in gewisser Weise als mittlerer Teil zwischen Voll im Leben und Westlich von Rom lesen, das als Ganzes eine inoffizielle Trilogie über das Familienleben von John Fante darstellt. Es spielt hierbei keine Rolle in welcher Reihenfolge die Bücher gelesen werden, sie stehen alle für sich selbst. Während Voll im Leben reich an jugendlichem Elan und sprühender Energie ist, die aber bereits von den Problemen des Lebens und Alltags angegriffen werden, und Westlich von Rom einen ruhigeren, gesetzteren Ton anschlägt, herrscht in Unter Brüdern vor allem eine melancholische Stimmung vor. Aber, wie auch bei den anderen beiden Romanen, gelingt es Fante hier mit seinem ungemein lustigen, lebensnahen und ironischen Stil die Geschichte nicht ins melodramatische kippen zu lassen. Er hält stets die Balance zwischen emotionalen und humorvollen Momenten, die oftmals fließend ineinander übergehen, genau wie im Leben selbst.

Machte sich diese reizende, blauäugige Dame an mich heran? Unmöglich. Frauen machten sich längst nicht mehr an mich heran, nicht einmal meine Ehefrau.

Egal mit welchem Buch von John Fante man die erste Bekanntschaft mit diesem grandiosen Schriftsteller schließt, jedes von ihnen ist eine ganz große Empfehlung. Spannend wie ein Thriller, witzig wie eine Komödie und emotional wie ein Drama, John Fante gelingt nichts geringeres als das Leben selbst in seinen Romanen festzuhalten, mit all seinen Höhen und Tiefen. Aber allen voran ist John Fante ein ungeschönt ehrlicher Chronist seiner selbst und seines Umfelds gewesen, unabhängig davon, was Fakt und was Fiktion ist. Er schildert schlichtweg universelle Wahrheiten des Lebens und das auf eine direkte, einfache und eindringliche Art und Weise, die seine Romane einem jeden zugänglich machen, denn sein Stil trifft den Nerv der Masse und verleiht ihnen eine Stimme.

Unter Brüdern von John Fante, 224 Seiten, erschienen im MaroVerlag.




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