Donkeyote
Man kennt die Geschichte von Don Quichote, der gegen Windmühlen kämpft. Ähnlich ergeht es auch Manolo und seinem Esel Gorrión in der Dokumentation Donkeyote.
Im Gegensatz zum literarischen Vorbild kämpfen die beiden zwar nicht gerade gegen Windmühlen, müssen sich aber mit den modernen Problemen der Bürokratie herumschlagen, um sich ihren Traum zu erfüllen. Manolo, der mit seinem Cowboy Hut und Poncho wie ein Relikt aus einem Westernfilm erinnert (oder vielmehr, weil sehr ähnlich, an Edward Abbeys grandiosen Roman The Brave Cowboy, fast ebenso großartig verfilmt als Einsam sind die Tapferen mit Kirk Douglas und einem jungen Walter Matthau), will mit seinem Esel Gorrión den sogenannten “Trail of Tears” nachwandern. Die Probleme dabei sind zahlreich. Zum einen befindet sich dieser Wanderweg in Amerika, zum anderen leidet der 73-jährige Manolo an chronischer Arthritis und spricht kein Wort englisch. Aber das größte Hindernis für seinen Traum: wie soll er seinen geliebten Esel und besten Freund Gorrión nach Amerika bringen?
Es geht hier also um die Erfüllung eines persönlichen Traums und die Schwierigkeit, man möchte fast sagen, Unmöglichkeit diesen Traum zu erfüllen. Der Regisseur Chico Pereira hat mit Manolo ein wahres Unikat als Hauptfigur für seine Dokumentation gefunden, er wirkt wie ein müder Westernheld, der sich plötzlich in der Moderne zurechtfinden muss und bei der Anpassung an unsere hektische, schnelllebige Gegenwart zwangsläufig auf Widerstand stößt. Gemeinsam mit seinem Esel Gorrión und seinen Hunden durchwandert der Andalusier die spanische Landschaft und bleibt dabei den Schwierigkeiten des heutigen Lebens genauso stoisch und stur wie Gorrión, wenn er eine Fähre betreten oder über eine Brücke gehen soll.
Chico Pereira verpackt die Erzählung, Wanderschaft und Odyssee seiner Helden in eine außergewöhnliche Bildsprache, nimmt dabei gleichsam die unkommentierte Haltung des Esels, wie des Menschen ein und spielt sich nicht nur einmal mit überraschend grandiosen Einstellungen. Sowohl die Reise an sich, mit skurrilen Momenten und Aufeinandertreffen (welches Reisebüro würde die Anfrage, wie man seinen Esel mitnimmt, denn ernst nehmen?) und dem Miteinander von Tier und Mensch, als auch die Aufnahmen von Kameramann Julian Schwanitz erzeugen oft einen absurden, aber zutiefst menschlichen Humor. Die, man möchte fast interpretierend sagen, verständnislosen Augen Gorrións (die aber in Wahrheit, wie sich oftmals herausstellt, in keiner Weise wirklich verständnislos sind), wie er Manolo oder prinzipiell das Treiben der Menschen beobachtet und dabei, halt gemäß seines Charakters als Esel, keine Miene verzieht, sind Augenblicke für sich. Überhaupt scheint die Reise vielfach aus der Perspektive des Tieres erzählt zu sein und beschränkt sich nicht nur auf die des Menschen.
Das einzige, was man dem Regisseur wahrlich negativ vorwerfen kann, ist der Umstand, dass Donkeyote manchmal stark inszeniert und gestellt wirkt. Dadurch untergräbt Pereire seine authentischen Figuren und die emotionale Wirkung ihrer Reise, was leider dazu führt, dass man zeitweise aus dem Geschehen gerissen wird und sich der Anwesenheit einer Filmcrew bewusst wird (obwohl Pereire in einem Moment diesen Umstand direkt darstellt). Auch wenn der Aspekt der Inszenierung sicherlich auf so gut wie jede Doku zutrifft, wird sie in Donkeyote stellenweise störend spürbar.
Zugegeben, die Thematik der Dokumentation ist sehr speziell und wer damit nichts anfangen kann, wird sich langweilen. Wer sich jedoch darauf einlässt, auf Gorrión und Manolo (und seine Hunde, nicht zu vergessen), wird eine Vielfalt an Blickwinkeln auf unsere Gegenwart, unsere Lebensweise und unseren Umgang bzw. das Verhältnis von Tier und Mensch geboten bekommen, gepaart mit einer originellen Kamera und viel Humor und Gefühl.
Regie: Chico Pereira , Drehbuch: Gabriel Molera, Chico Pereira, Manuel Pereira, Darsteller: Manuel Molera Aparicio, Paca Molera Pereira, Mamen Gómez Heredia, gezeigt auf der Viennale 2017