Syndicate
16 verdammte Jahre. So lange mussten “Syndicate”-Fans warten, um wieder in den Genuss eines neuen Ablegers der legendären Cyberpunk-Reihe zu kommen. Der Überraschungen nicht genug, wechselt die Neuauflage des taktischen Top-Down-Shooters auch gleich die Spielperspektive…
Unter der Leitung der Videospiel-Koryphäe Peter Molyneux wurde bereits 1993 dank der Entwicklerschmiede Bullfrog Productions (“Populous”, “Theme Park”) der Grundstein für eine auch heute noch gleichermaßen eindrucksvolle wie auch unerreichte Serie gelegt: In “Syndicate” übernahm der Spieler das Kommando über (bis zu) vier Agenten eines Großkonzerns mit dem Ziel, in verschiedensten Einzelmissionen durch massive Waffengewalt konkurrierende Konzerne/Widersacher auszuschalten und in einer düsteren Zukunft die Kontrolle über das Weltgeschehen zu erlangen.
Neben einer absolut mitreißenden Atmosphäre und einem ebensolchem Soundtrack konnte vor allem der abwechslungsreiche Spielverlauf mit seinen unzähligen Modifikationsmöglichkeiten (Üppige Waffenauswahl, Upgrading der Agenten etc.) überzeugen. Nachdem Bullfrog Productions mit dem Abgang von Mitbegründer Molyneux und wenig gewinnbringenden Spielen schließlich 2004 vom Publisher Electronic Arts mit weiteren kleineren Studios zu EA UK zusammengefasst wurde, schien die Zukunft der “Syndicate”-Serie vorerst besiegelt zu sein…sollte man zumindest bis vor kurzem glauben, denn fast wie auf Anfrage schickte Starbreeze Studios einen ersten Trailer zum Reimagining “Syndicate” in den Presseäther, der die Community – was zu erwarten war – in Aufruhr versetzte: Statt eines Vier-Agenten-Teams wird der Spieler in die Rolle eines einzelnen versetzt und noch dazu in die Ego-Perspektive! Angesichts der schon länger bestehenden Flut von First-Person-Shootern und des scheinbar erst kürzlich wiederentdeckten Cyberpunk-Settings (jüngst z.B. “Deus Ex: Human Revolution”) war die Aufregung bzw. Skepsis natürlich nachvollziehbar, etwas beruhigen konnte jedoch die Tatsache, das die schwedischen Entwickler von Starbreeze mit “The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay” und “The Darkness” als durchaus fähige Shooter-Produzenten galten.
Nun erschien “Syndicate” schlussendlich und die Überraschungen halten sich in Grenzen: Das “Bladerunner”-eske Setting wurde glücklicherweise beibehalten, noch immer übernimmt man die Rolle eines technisch-aufgewerteten bzw. modifizierbaren Agenten (namens “Kilo”), der neben Industriespionage auch diverse Anschläge mit roher Waffengewalt auszuführen hat. Das Waffenarsenal orientiert sich in groben Zügen (zumindest am Design) an den Bullfrog-Taktik-Shootern, wobei die Konventionen moderner FPS auch hier Platz gefunden haben: Maximal zwei Waffen plus Granaten, regenerierende Gesundheit und ein rudimentäres Deckungssystem gelten im Genre als Standard, sind daher auch hier etwas unkreativ integriert. Interessanter sind da schon die Spezialmöglichkeiten des sogenannten “Dart 6”-Chips, der abseits von reinen Kampfhandlungen zum Türen öffnen, Drohnen hacken und Datendownload benutzt wird.
Von der Masse an Shootern will sich “Syndicate” durch den kreativen Einsatz jenes Prototyp-Chips vor allem während der recht intensiven Kämpfe selbst abheben, was man durchaus begrüßen und goutieren kann: Durch das schnelle Hacken von gegnerischen Implantaten verwirrt man seine Widersacher, setzt zudem deren Panzerung außer Kraft und treibt sie sogar, nachdem sie eine zeitlang auf der Seite des Spielers gekämpft haben, zum Selbstmord. Dank einer recht effizienten Einbindung in den Spielverlauf vermag dieses Feature die einigermaßen belanglose Rahmenhandlung der Singleplayer-Kampagne (in etwa 8-9 Stunden) aufzuwerten, wirklich aufregende Set-Pieces finden sich in “Syndicate” übrigens keine.
Der schon massive Einsatz von “Light-Bloom”, also Licht-Blendungs-Effekte/Filter, der viele Szenerien in ein schummrig-schwammiges Farbchaos verwandelt, fällt neben der recht exzessiven Gewaltdarstellung zudem besonders negativ auf. Der kooperative Online-Modus vermag dagegen mehr zu überzeugen, nicht nur weil hier die Referenzen zum Original etwas hervorgehoben werden: (Im besten Fall) zu Viert gilt es, neun abwechslungsreiche Missionen zu bestreiten – auch hier mit gängigen Shooter-Konventionen wie dem Sammeln von Erfahrung, freischaltbaren Waffen etc. – und dem taktischen Hintergrund der Serie gewissermaßen spielerisch Tribut zu zollen.
Auch wenn “Syndicate” nur einige neue Spielideen mit bekannten Shooter-Mechaniken vermengt, eine im Grunde recht simpel gestickte Story mithilfe hochkarätiger Synchronsprecher (Rosario Dawnson, Brian Cox) zu überdecken versucht, die oft langwierigen Feuergefechte in den endlosen Korridoren/Bürokomplexen dank brutalster Lichtfilter die Tränendrüse des Spielers überfordert und der Online-Koop-Modus nur zu viert Spaß macht, so sollten FPS- und Cyberpunk-Fans durchaus einen Blick riskieren.
Plattform: Xbox 360, PS3 (Version getestet), PC, Altersfreigabe (PEGI): 18, Spieler: 1, 4 Online-Koop, Erscheinungsdatum: 24.02.2012