Tindersticks-© Christian Stipkovits/FM4

FM4 Radiosession: Tindersticks

Mit geschickt vorgetäuschter Arroganz und eine gehörige Portion Wehmut servierte uns das englische Quintett Tindersticks vergangenes Wochenende im Rahmen der FM4 Radio-Sessions im Radiokulturhaus eine Menge melancholisches Upper-Class Britentum und akkustischen Schmerz…

In maßgeschneiderten Anzügen betraten die fünf Musiker aus Nottingham leicht verspätet die in diffuses Licht getauchte Bühne, ohne dem überschaubaren, trotzdem bis auf den letzten Platz besuchten Radiokulturhaus, die erhoffte Nähe zu gewähren. Es gibt wohl keine andere britische Band, die so angenehm versnobt auf den Bühnen der Welt auftritt, wie die Tindersticks. Im Gegensatz zu den meisten Kollegen versuchen sie nicht zu verbergen, dass sie englische Dandys sind. Und das seit 20 Jahren.

Die erträgliche Schwierigkeit der Tindersticks

Vollkommen unabhängig vom Britpop und den anderen englischen Musikströmungen bevorzugen die Tindersticks einen dunkeln, chansonartigen und vielschichtigen Sound. Wo ihre Zeitgenossen oft direkt und auf den Punkt hin musizieren, sind die Tindersticks viel gemächlicher, machen dichte und schwierige Lieder, die mit anspruchsvollen Texten und wiederkehrenden Melodien überlagert werden, getragen von murmelndem Gesang und melancholischer Orchestrierung. Eine Kategorisierung der snobistisch anmutenden Briten ist nahezu unmöglich. Ihre Kompositionen schweben kathartisch irgendwo zwischen Chanson- und Independent Bereich und vermengen sich darin mit bedrückenden Jazz- und Soulelementen.

Der Beginn: keine Klassiker, nichts Neues

Man konnte die Schmerzen förmlich spüren, als Stuart Staples mit seinem unverkennbaren Organ schwermütig ins Mikro zu aspierieren beginnt, um kurz darauf hypnotisch-bedrückende Elegien emporschnellen zu lassen.

Als die Tindersticks Platz hinter Orgel, Bass und Mikrofon genommen haben, eröffnen sie das Konzert anders, als die meisten der Besucher vermutet haben. Sie beginnen weder mit Klassikern wie „Nectar“ oder „City Sickness“ (in Zusammenarbeit mit Jarvis Cocker), noch mit neuen Liedern der erst im Februar erschienen „The Something Rain“. „Blood“, das eher unbekannte Stück vom allerersten Tindersticks Album 1993, ist die Nummer, die dieses auserwählte Wiener Publikum aufhorchen lässt. Darauf folgt „If You´re Looking For A Way Out“ vom vierten Album „Simple Pleasure“ 1999. Stuart Staples und der Rest der Band fegen in der knappen Stunde einmal quer durch 20 Jahre Bandgeschichte und bedienen sich an allem was sie je produziert haben. Und das ist wirklich viel.

“Thank You’s”, “Take Care’s” and “Good Bye’s”

Die Interaktion mit dem Publikum blieb weitgehend aus. Staples ließ sich nur zu den obligatorischen “Thank You”-Bekundungen hinreißen. Die Tindersticks vertrauten voll und ganz ihrer magischen Wirkung auf die Anwesenden. Außerdem war Staples’ Stimme durch eine Kehlkopfentzündung lädiert und man hatte ohnehin damit zu bangen, dass seine Stimme das Konzert durchsteht. Der Himmel öffnete seine Schleusen an diesem Abend dann aber über Wien und offenbarte ruhigen Sound und eine standhafte Stimme.

Zum Ende hin ziert Staples eine rote Gitarre: „Show Me Everything“ ist der letzte Song, ein Highlight vom neuen Tindersticks-Album „The Something Rain“. Nach einer knappen Stunde voller Schmerz, Trauer und akustischer Pein verabschiedete sich die Band winkend und Staples mit den Worten „I have to take care, I hope you understand.“

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Die Kürze des Konzerts war dennoch verkraftbar, weil die Tindersticks ja sowieso ganz bald wieder nach Wien kommen. Jeder, der nicht die einmalige Gelegenheit hatte, sich die Band vor gut 200 anderen Besuchern anzusehen, der sollte die Chance nutzen, denn am 7. und 8. Mai werden die fünf Briten im Theater Akzent ihr Trauerspiel erneut dem hungrigen Publikum zum Fraß vorwerfen. Man kann sich freuen. We keep you posted!




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